Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer als Teil des Schadensersatzes
Leitsatz (amtlich)
Wählt der Geschädigte den Weg der Ersatzbeschaffung, obwohl nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten besteht, steht ihm jedenfalls dann kein Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer zu, wenn bei der Ersatzbeschaffung keine Umsatzsteuer angefallen ist.
Normenkette
BGB § 249
Verfahrensgang
LG Weiden i.d.OPf. (Urteil vom 29.10.2008; Aktenzeichen 22 S 73/08) |
AG Weiden i.d. OPf. (Urteil vom 15.07.2008; Aktenzeichen 1 C 617/08) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Weiden i. d. OPf. vom 29.10.2008 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG Weiden i. d. OPf. vom 15.7.2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Kläger nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer nach einem Verkehrsunfall vom 7.7.2007, für den die volle Haftung der Beklagten außer Streit steht, auf Zahlung der in einem vorprozessual eingeholten Gutachten angegebenen Umsatzsteuer für eine Reparatur in Anspruch.
[2] In dem Gutachten hat der Sachverständige Reparaturkosten von 3.036,95 EUR netto und 3.613,97 EUR inkl. Mehrwertsteuer angegeben. Den Wiederbeschaffungswert hat er auf 7.800 EUR inkl. Mehrwertsteuer und den Restwert des Unfallfahrzeugs auf 3.670 EUR inkl. Mehrwertsteuer geschätzt. Der Kläger hat das Unfallfahrzeug unrepariert verkauft und von privat ein Ersatzfahrzeug für 8.700 EUR erworben. Die Beklagte hat vorgerichtlich die fiktiven Reparaturkosten i.H.v. 3.036,95 EUR sowie die Wertminderung i.H.v. 150 EUR erstattet.
[3] Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LG dieses Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung des begehrten Mehrwertsteuerbetrags sowie zur Freistellung des Klägers von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
[4] Nach Auffassung des Berufungsgerichts verbietet § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht die Erstattung der auf die Reparaturkosten entfallenden Umsatzsteuer. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung tragen wollen, dass im Falle eines Verzichts auf eine umsatzsteuerpflichtige Wiederherstellung Umsatzsteuer nicht anfalle und damit keinen Gegenwert in der wieder hergestellten Sache finde. Er habe die originäre Funktion des Schadensersatzes betont, die in der Wiederherstellung des früheren Zustands liege. Es stehe deshalb im Einklang mit dem Restitutionsprinzip, die Umsatzsteuer nur zu ersetzen, wenn sie zur Wiederherstellung des früheren Zustands eingesetzt werde. Dies gelte auch für den Fall, dass die Wiederherstellung durch Ersatzbeschaffung erfolge. Werde eine gleichwertige Sache als Ersatz beschafft und falle dafür Umsatzsteuer an, sei die Umsatzsteuer im angefallenen Umfang zu ersetzen, wobei der Geschädigte allerdings nur die Kosten für die wirtschaftlich gebotene Wiederherstellung verlangen könne.
[5] Im Streitfall sei keine Umsatzsteuer ausgewiesen worden. Es gehe aber nicht um den Ersatz fiktiver Umsatzsteuer, sondern um den Ersatz des tatsächlich für die Ersatzbeschaffung aufgewendeten Betrags, begrenzt auf den Bruttoreparaturkostenbetrag des beschädigten Fahrzeugs. Es sei angemessen, die Reparaturkosten einschließlich der Umsatzsteuer zu erstatten, wenn sich der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis hätte entscheiden müssen, aber eine Ersatzbeschaffung vorgenommen habe. Der Geschädigte habe die Restitution in Form der Ersatzbeschaffung konkret durchgeführt und sein Interesse an der vollständigen Behebung seines Schadens durch die Ersatzbeschaffung dokumentiert.
II.
[6] Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dem Kläger steht der geltend gemachte Betrag in Höhe der Umsatzsteuer für die Reparaturkosten nicht zu.
[7] 1. Nach der Rechtsprechung des Senats stehen dem Geschädigten im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Die Reparatur des Unfallfahrzeugs oder die Anschaffung eines "gleichwertigen" Ersatzfahrzeugs. Unter den zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte jedoch grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert. Dieses sog. Wirtschaftlichkeitspostulat findet gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB seinen gesetzlichen Niederschlag in dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit, ergibt sich aber letztlich schon aus dem Begriff des Schadens selbst. Darüber hinaus findet das Wahlrecht des Geschädigten seine Schranke an dem Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Denn auch wenn er vollen Ersatz verlangen kann, soll der Geschädigte an dem Schadensfall nicht "verdienen" (vgl. BGH BGHZ 154, 395, 397 f.; 162, 161, 164 f.; 163, 180, 184; 171, 287 Rz. 6; jeweils m.w.N.).
[8] Hier hätte sich der Kläger nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis entscheiden müssen, insoweit liegt der Fall anders als bei der Entscheidung des erkennenden Senats vom 1.3.2005 (VI ZR 91/04, BGHZ 162, 270), bei der die Ersatzbeschaffung vom Wirtschaftlichkeitsgebot gedeckt war. Es blieb für den Kläger zwar die Möglichkeit bestehen, dem Wirtschaftlichkeitspostulat nicht zu folgen, sondern statt einer wirtschaftlich gebotenen Reparatur - wie geschehen - eine höherwertige Ersatzsache zu erwerben. Auch in diesem Fall kann er nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot aber nur auf Reparaturkostenbasis abrechnen, weil eine Reparatur den geringsten Aufwand zur Schadensbeseitigung erforderte. Rechnet er insoweit auf der Basis eines vorgerichtlich eingeholten Gutachtens ab, handelt es sich um eine fiktive Schadensabrechnung, weil eine Reparatur nicht tatsächlich durchgeführt worden ist.
[9] 2. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass dem Kläger der geltend gemachte Umsatzsteuerbetrag für eine Reparatur nicht zusteht.
[10] Nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB schließt der bei der Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Mit dieser durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002 (BGBl. I 2674) eingeführten gesetzlichen Regelung wollte der Gesetzgeber nichts an der Möglichkeit des Geschädigten ändern, den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag stets und insoweit zu verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustands tatsächlich angefallen ist. In diesen Fällen kommt es für den Ersatz der Umsatzsteuer nur darauf an, ob sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands angefallen ist, nicht aber welchen Weg der Geschädigte zur Wiederherstellung beschritten hat. Bei der fiktiven Schadensabrechnung nach einer Beschädigung von Sachen soll sich nach der Absicht des Gesetzgebers allerdings deren Umfang mindern, indem die fiktive Umsatzsteuer als zu ersetzender Schadensposten entfällt. Umsatzsteuer soll nur noch ersetzt werden, wenn und soweit sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch Reparatur oder Ersatzbeschaffung tatsächlich anfällt, d.h. wenn und soweit sie der Geschädigte zur Wiederherstellung aus seinem Vermögen aufgewendet oder er sich hierzu verpflichtet hat. Sie soll hingegen nicht mehr ersetzt werden können, wenn und soweit sie nur fiktiv bleibt, weil es zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung bei einem Fachbetrieb oder einem anderen umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer i.S.d. § 2 UStG nicht kommt. Wird eine gleichwertige Sache als Ersatz beschafft und fällt dafür Umsatzsteuer an, so ist die Umsatzsteuer im angefallenen Umfang zu ersetzen. Fällt für die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache - etwa beim Kauf von Privat - keine Umsatzsteuer an, ist sie auch nicht zu ersetzen (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/7752, 13 f., 23f.; BGH BGHZ 158, 388, 389; 162, 270, 272 f.; 164, 397, 399f.; v. 18.5.2004 - VI ZR 267/03, VersR 2004, 927, 928; v. 9.5.2006 - VI ZR 225/05, VersR 2006, 987, 988; v. 3.3.2009 - VI ZR 100/08, VersR 2009, 654 Rz. 12). In diesem Fall ist sie auch im Rahmen einer fiktiven Schadensabrechnung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens nicht ersatzfähig, weil § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB insoweit die Dispositionsfreiheit begrenzt (vgl. BGH, Urt. v. 9.5.2006 - VI ZR 225/05 -, a.a.O.).
[11] Nach diesen Grundsätzen ist eine Erstattung der Umsatzsteuer schon deswegen nicht möglich, weil der Kläger weder eine umsatzsteuerpflichtige Reparatur hat durchführen lassen noch bei der Ersatzbeschaffung eines neuen Fahrzeugs von privat Umsatzsteuer angefallen ist. Dem Kläger stehen mithin nur die von der Beklagten bereits geleisteten Beträge zu, die unterhalb des sich aus dem vorgerichtlich eingeholten Gutachten ergebenden Wiederbeschaffungsaufwands von 4.130 EUR (Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert) liegen, der auch ohne eine weitere Beschränkung durch das Wirtschaftlichkeitsgebot bei Abrechnung nach den fiktiven Reparaturkosten den Schadensersatzanspruch begrenzt (vgl. BGH BGHZ 163, 180).
Fundstellen
Haufe-Index 2243691 |
BFH/NV 2010, 154 |
NJW 2009, 3713 |
NWB 2009, 3560 |
BGHR 2009, 1258 |
EBE/BGH 2009, 355 |
JurBüro 2010, 109 |
ZAP 2009, 1242 |
DAR 2009, 689 |
DAR 2010, 310 |
MDR 2009, 1387 |
NZV 2010, 21 |
VRS 2010, 65 |
VersR 2009, 1554 |
KfZ-SV 2010, 31 |
NJW-Spezial 2009, 730 |
NWB direkt 2009, 1166 |
RdW 2010, 19 |
SVR 2010, 19 |
VRA 2009, 200 |
VRR 2009, 461 |
ZGS 2010, 4 |
r+s 2009, 525 |
DS 2010, 31 |
LL 2010, 28 |