Rz. 8

Will der Geschädigte seinen Schaden fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abrechnen, ist nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB von einem dort angegebenen Brutto-Wiederbeschaffungswert eine darin enthaltene Mehrwertsteuer abzuziehen. Weist das Sachverständigengutachten – in solchen Fällen – lediglich pauschal einen Brutto-Wiederbeschaffungswert aus, so besteht für den Tatrichter grundsätzlich Veranlassung zu klären, ob solche Fahrzeuge üblicherweise auf dem Gebrauchtwagenmarkt nach § 10 UStG regelbesteuert oder nach § 25a UStG differenzbesteuert oder von Privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten werden.

 

Rz. 9

Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem der Kläger ein Ersatzfahrzeug beschafft hatte und seinen Schaden konkret auf Basis dieser Ersatzbeschaffung abrechnete.

Durch die gesetzliche Neuregelung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB wollte der Gesetzgeber nichts an der Möglichkeit des Geschädigten ändern, den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag stets und insoweit zu verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes tatsächlich angefallen ist (vgl. BT-Drucks 14/7752, S. 22). Lediglich bei der fiktiven Schadensabrechnung nach einer Beschädigung von Sachen soll sich nach der Absicht des Gesetzgebers deren Umfang mindern, indem die fiktive Umsatzsteuer als zu ersetzender Schadensposten entfällt. Umsatzsteuer kann mithin nur noch dann ersetzt verlangt werden, wenn und soweit sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes durch Reparatur oder Ersatzbeschaffung auch tatsächlich anfällt, d.h. wenn und soweit sie der Geschädigte zur Wiederherstellung aus seinem Vermögen aufgewendet oder er sich hierzu verpflichtet hat. Sie soll hingegen nicht mehr ersetzt verlangt werden können, wenn und soweit sie nur fiktiv bleibt, weil es zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung bei einem Fachbetrieb oder einem anderen umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer im Sinne des § 2 UStG nicht mehr kommt. Wird eine gleichwertige Sache als Ersatz beschafft und fällt dafür Umsatzsteuer an, so ist die Umsatzsteuer im angefallenen Umfang zu ersetzen. Fällt für die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache – etwa beim Kauf von Privat – keine Umsatzsteuer an, ist sie auch nicht zu ersetzen (vgl. BT-Drucks 14/7752, S. 23).

 

Rz. 10

Im vorliegenden Fall ging es jedoch nicht um den Ersatz fiktiver Umsatzsteuer, sondern um den Ersatz des tatsächlich für die Ersatzbeschaffung aufgewendeten Betrages, allerdings begrenzt auf den Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Fahrzeugs.

 

Rz. 11

Hätte der Geschädigte ein völlig gleichartiges und gleichwertiges Fahrzeug entweder differenzbesteuert oder von Privat ohne Umsatzsteuer zu dem vom Sachverständigen genannten (Brutto-)Wiederbeschaffungswert erworben, würde eine Kürzung dieses Betrages um eine "fiktive Mehrwertsteuer" von 19 % im Rahmen der konkreten Schadensabrechnung der originären Funktion des Schadensersatzes widersprechen, die in der Wiederherstellung des früheren Zustandes liegt, und den Geschädigten schlechter stellen, als er vor dem Schadensereignis gestanden hat. Stellt der Geschädigte durch eine konkrete Ersatzbeschaffung eines gleichartigen Fahrzeugs zu dem vom Sachverständigen genannten (Brutto-)Wiederbeschaffungswert wirtschaftlich den Zustand wieder her, der vor dem Unfallereignis bestand, so kann er nach § 249 BGB den tatsächlich hierfür aufgewendeten Betrag unabhängig davon ersetzt verlangen, ob in ihm die Regelumsatzsteuer im Sinne des § 10 UStG, eine Differenzsteuer im Sinne des § 25a UStG oder gar keine Umsatzsteuer enthalten ist.

 

Rz. 12

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in den Fällen, in denen der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Schadensbehebung selbst in die Hand nimmt, der zur Wiederherstellung erforderliche Aufwand nach der besonderen Situation zu bemessen, in der sich der Geschädigte befindet. Es ist also Rücksicht auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Im Rahmen dieser "subjektbezogenen Schadensbetrachtung" kann es dem Geschädigten nicht zum Nachteil gereichen, wenn er bei der konkreten Ersatzbeschaffung auf dem Gebrauchtwagenmarkt von den umsatzsteuerrechtlich möglichen verschiedenen Erwerbsmöglichkeiten nicht gerade diejenige realisiert, die der Sachverständige – für die fiktive Schadensabrechnung – als die statistisch wahrscheinlichste bezeichnet hat. Er genügt vielmehr seiner Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens, wenn er sich beim Erwerb an dem vom Sachverständigen genannten (Brutto-)Wiederbeschaffungswert als Endpreis für das auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelte Fahrzeug orientiert, zumal das Berufungsgericht im vorliegenden Fall – von der Revision unangegriffen – festgestellt hat, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung in aller Regel auf den Endverkaufspreis für den privaten Käufer auf dem Gebrauchtwagenmarkt keinen Einfluss hat.

 

Rz. 13

Etwas anderes ...

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