Rz. 93
Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Revision sind Sozialabgaben und Lohnnebenkosten Bestandteile des im Rahmen einer "fiktiven" Schadensabrechnung im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nach einem Verkehrsunfall zu erstattenden Schadens.
Rz. 94
Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Gläubiger, wenn wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist, statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats darf der Geschädigte dabei seiner (fiktiven) Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.
Rz. 95
Die Berücksichtigung fiktiver Sozialabgaben und Lohnnebenkosten bei der Berechnung der erstattungsfähigen Reparaturkosten widerspricht weder dem Wirtschaftlichkeitsgebot noch dem Bereicherungsverbot. Denn das Vermögen des durch einen Verkehrsunfall Geschädigten ist um denjenigen Betrag gemindert, der aufgewendet werden muss, um die beschädigte Sache fachgerecht zu reparieren. Zu den erforderlichen Wiederherstellungskosten gehören, wie sich aus dem von der Revision selbst in Bezug genommenen Senatsurteil vom 19.6.1973 – VI ZR 46/72 (BGHZ 61, 56, 58 f.) ergibt, grundsätzlich auch allgemeine Kostenfaktoren wie Umsatzsteuer, Sozialabgaben und Lohnnebenkosten. Deshalb hat der Senat in der vorgenannten Entscheidung vor dem Inkrafttreten des Zweiten Schadensrechtsänderungsgesetzes bei einer "fiktiven" Schadensabrechnung die Mehrwertsteuer beim nicht vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten als echten Schadensposten anerkannt und ausgeführt, der steuertechnisch bedingte getrennte Ausweis der Mehrwertsteuer ändere nichts daran, dass sie als objekt- bzw. leistungsbezogene allgemeine Abgabe auf den Verbrauch nicht weniger ein allgemeiner Kostenfaktor sei als andere öffentliche Abgaben, welche direkt oder indirekt in die Kosten und damit in den Preis einer Ware oder Leistung Eingang gefunden haben.
Rz. 96
Soweit der Gesetzgeber nunmehr durch das Zweite Schadensrechtsänderungsgesetz in § 249 Abs. 2 S. 2 BGB die Erstattung nicht angefallener Umsatzsteuer bei fiktiver Schadensabrechnung ausdrücklich vom Schadensersatzanspruch ausgenommen hat, hat er hiermit lediglich einen – systemwidrigen – Ausnahmetatbestand geschaffen, der nicht analogiefähig ist.
Rz. 97
Die Revision wies selbst darauf hin, dass sich aus den Gesetzesmaterialien (vgl. insbesondere BT-Drucks 14/7752, S. 13) ergibt, dass der Entwurf eines Zweiten Schadensrechtsänderungsgesetzes aus der 13. Legislaturperiode zunächst vorsah, bei einer fiktiven Abrechnung von Sachschäden die öffentlichen Abgaben außer Ansatz zu lassen. Dieser Vorschlag ist indes auf vielfältige Kritik gestoßen. Dieser Kritik hat der Gesetzgeber im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens Rechnung getragen und auf einen Abzug sämtlicher öffentlicher Abgaben bewusst verzichtet und sich auf die Umsatzsteuer als größten Faktor unter den "durchlaufenden Posten" beschränkt. Fehlt es mithin an einer Regelungslücke, kommt eine entsprechende Anwendung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB auf andere "öffentliche Abgaben" nicht in Betracht.
Rz. 98
Soweit es nach den Gesetzesmaterialien der Rechtsprechung überlassen werden sollte, das Sachschadensrecht "zu konkretisieren und zu entwickeln", vermag dies dem Senat nicht den Weg zu einer Abweichung vom geltenden Recht und zu einer von der Revision erwünschten, aber vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Gleichstellung von Umsatzsteuer und anderen "öffentlichen Abgaben" zu eröffnen.
Rz. 99
Entgegen der Auffassung der Revision führt eine Erstattung des zur Herstellung erforderlichen Geldbetrags gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ohne Abzug von Sozialabgaben und Lohnnebenkosten nicht zwangsläufig zu einer Überkompensation des Geschädigten. Sie ist vielmehr lediglich die rechtliche Folge der gesetzlichen Regelung des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, wonach der Geschädigte bei der Beschädigung einer Sache statt der Naturalrestitution im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB Geldersatz verlangen kann (sogenannte Ersetzungsbefugnis). Zu ersetzen ist dabei das Integritätsinteresse, d.h. der Geldbetrag, der zur Herstellung des Zustands erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Daneben ist der Geschädigte, der auf diese Weise die Beseitigung der erlittenen Vermögenseinbuße verlangt, in der Verwendung des Schadensersatzbetrags frei, d.h. er muss den ihm zustehenden Geldbetrag nicht oder nicht vollständig für eine ordnungsgemäße Reparatur in einer (markengebundenen) Fachwerkstatt einsetzen (sog. Dispositionsbefugnis). Die Revisionserwiderung weist mit Recht darauf hin, dass die Sichtweise der Revision zur Beseitigung dieser Dispositionsbefugnis führen würde, die mit einer missbräuchlichen Bereicherung des Geschädigten nichts zu tun hat. Verzichtet der Geschädigte auf eine Reparatur des ...