1. Fiktive Schadensabrechnung ohne konkrete Ersatzbeschaffung
Rz. 1
Zitat
BGB § 249 Abs. 2 S. 2
Zur Frage, welcher Umsatzsteueranteil vom Brutto-Wiederbeschaffungswert eines unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs in Abzug zu bringen ist, wenn keine Ersatzbeschaffung vorgenommen wird.
a) Der Fall (verallgemeinert)
Rz. 2
Der Geschädigte hat (schuldlos) einen Verkehrsunfall, bei dem sein Kfz einen wirtschaftlichen Totalschaden erleidet. Der Sachverständige ermittelt einen Wiederbeschaffungswert von 11.900 EUR brutto.
Was kann er vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners bei fiktiver Schadensabrechnung ersetzt verlangen?
a) |
den Netto-Wiederbeschaffungswert: 11.900 EUR abzgl. 19 % Regel-Umsatzsteuer nach § 10 UStG, also 10.000 EUR |
b) |
den Netto-Wiederbeschaffungswert: 11.900 EUR abzgl. 2 % Differenzsteuer nach § 25a UStG, also 11.662 EUR |
c) |
den Brutto-Wiederbeschaffungswert: 11.900 EUR |
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 3
Ist das schädigende Ereignis nach dem 31.7.2002 eingetreten, bestimmt sich die Ersatzpflicht der Beklagten gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB nach den Vorschriften der §§ 249 ff. BGB in der Fassung des zweiten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002 (BGBl I S. 2674).
Nach dieser gesetzlichen Neuregelung schließt der bei der Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB). Dies gilt auch im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens (vgl. Senatsurt. v. 1.3.2005 – VI ZR 91/04, VersR 2005, 994; v. 20.4.2004 – VI ZR 109/03, BGHZ 158, 388, 389 und v. 18.5.2004 – VI ZR 267/03, VersR 2004, 927, 928).
Rz. 4
Will der Geschädigte seinen Schaden fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abrechnen, ist von einem dort angegebenen Brutto-Wiederbeschaffungswert eine darin enthaltene Umsatzsteuer abzuziehen. Hierfür hat der Tatrichter – falls eine konkrete Ersatzbeschaffung nicht stattgefunden hat – zu klären, ob solche Fahrzeuge üblicherweise auf dem Gebrauchtwagenmarkt nach § 10 UStG regelbesteuert oder nach § 25a UStG differenzbesteuert oder von Privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten werden (vgl. Senatsurt. v. 1.3.2005 – VI ZR 91/04, a.a.O.). Dabei ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sich der Tatrichter im Rahmen der Schadensschätzung im Sinne des § 287 ZPO an der überwiegenden Wahrscheinlichkeit orientiert, mit der das Fahrzeug diesbezüglich auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt wird.
Rz. 5
Steht mit der für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO ausreichenden Wahrscheinlichkeit fest, dass ein Ersatzfahrzeug auf dem Gebrauchtwagenmarkt überwiegend regelbesteuert erworben werden kann, beschränkt sich der bei der fiktiven Schadensabrechnung vorzunehmende Abzug der Umsatzsteuer auch nicht auf einen Mittelwert aus dem Marktanteil der Regel- und dem der Differenzbesteuerung (vgl. Huber, NZV 2004, 105). Damit ließe sich zwar rechnerisch ein durchschnittlicher "Netto-Wiederbeschaffungswert" ermitteln. Dieser läge jedoch über dem Wert, den das Gericht im Rahmen seiner Schadensschätzung als überwiegend wahrscheinlich erachtet und würde deshalb einen fiktiven Umsatzsteueranteil enthalten, der nach der gesetzlichen Neuregelung nicht erstattungsfähig ist (vgl. Senatsurt. v. 15.11.2005 – VI ZR 26/05, VersR 2006, 238, 239).
2. Konkrete Schadensabrechnung beim Erwerb eines Ersatzfahrzeugs
Rz. 6
Zitat
BGB § 249
Erwirbt der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis, der dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen (Brutto-)Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs entspricht oder diesen übersteigt, kann er im Wege konkreter Schadensabrechnung die Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe des (Brutto-)Wiederbeschaffungswertes des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs – unter Abzug des Restwertes – ersetzt verlangen. Auf die Frage, ob und in welcher Höhe in dem im Gutachten ausgewiesenen (Brutto-)Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (Abgrenzung zu den Senatsurt. v. 20.4.2004 – VI ZR 109/03, BGHZ 158, 388 und v. 18.5.2004 – VI ZR 267/03, VersR 2004, 927).
a) Der Fall (verallgemeinert)
Rz. 7
Der Sachverständige ermittelte einen Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs (eines vier Jahre alten Passat TDI Trendline) von 11.900 EUR brutto und einen Restwert von 5.000 EUR. Der nicht vorsteuerabzugsberechtigte Kläger erwarb bei einem gewerblichen Kfz-Händler ein im Sinne des § 25a UStG differenzbesteuertes Ersatzfahrzeug (einen fünf Jahre alten Audi A 4 TDI) zum Preis von 13.400 EUR. Der Haftpflichtversicherer des Schädigers zahlte an den Kläger lediglich einen Betrag von 5.000 EUR, wobei er den Netto-Wiederbeschaffungswert aus dem Sachverständigengutachten unter Zugrundelegung des Regel-Mehrwertsteuersatzes im Sinne des § 10 UStG von 19 % errechnete (11.900 EUR – 1.900 EUR = 10.000 EUR) und hiervon den Restwert in Abzug brachte. Darüber hinaus zahlte sie weitere 268 EUR als bei dem Erwerb des Ersatzfahrzeugs tatsächlich angefallene, mit 2 % des Verkaufspreises geschätzte Differenz-Umsatzsteuer im Si...