Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 682
§ 831 BGB ist eine eigenständige Anspruchsgrundlage. Die Norm weist dem Geschäftsherrn keine Haftung für fremdes Verschulden eines Gehilfen oder Vertreters zu, sondern begründet die Haftung für eigenes vermutetes Verschulden desjenigen Geschäftsherrn, der einen anderen zu einer Verrichtung bestellt (Verrichtungsgehilfe), für die vom Verrichtungsgehilfen in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zugefügten Schäden. Für beide Anspruchsvoraussetzungen – Bestellung zu einer Verrichtung (Eigenschaft als Verrichtungsgehilfe) und widerrechtliche Schadenszufügung in Ausführung der Verrichtung – obliegt dem Geschädigten die Beweislast. Gelingt dem Geschädigten dieser Nachweis, greifen zu seinen Gunsten die Vermutungen, dass der Geschäftsherr seine Pflichten schuldhaft verletzt hat und dass zwischen dieser Pflichtverletzung und dem durch den Verrichtungsgehilfen zugefügten Schaden ein Kausalzusammenhang besteht. Der Geschäftsherr kann sich durch den Nachweis eigenen pflichtgemäßen Verhaltens sowie fehlender Kausalität der Pflichtverletzung entlasten. Dass die schädigende Handlung des Verrichtungsgehilfen widerrechtlich war, wird bereits nach allgemeinen Grundsätzen (widerlegbar) vermutet. Kommen mehrere Personen als Geschäftsherr in Betracht, ist maßgeblich, wem letztlich das Weisungsrecht hinsichtlich der schadensauslösenden Tätigkeit zustand.
Rz. 683
Wurden vom Geschäftsherrn mehrere Gehilfen zur Ausführung einer Verrichtung bestellt, genügt es für die Haftung nach § 831 BGB, wenn die Haftung nur für einen der Gehilfen in Betracht kommt. Nicht notwendig ist es, einen konkret verantwortlichen Verrichtungsgehilfen im Unternehmen des Geschäftsherrn zu benennen; es genügt die Darlegung und der Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung des Unternehmens. Der Geschädigte muss aber darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die handelnde Person zum Zeitpunkt der Schädigungshandlung Mitarbeiter des Geschäftsherrn war. Gelingt es dem Geschäftsherrn nicht, den tatsächlich verantwortlichen Mitarbeiter zu individualisieren und sich bezüglich dessen Auswahl und Anleitung zu exkulpieren, bleibt also unklar, welcher der Gehilfen den Schaden verursacht hat, muss sich der Geschäftsherr hinsichtlich aller Gehilfen entlasten, die die schadensträchtige Handlung begangen haben könnten.
Rz. 684
Diese Haftung des Geschäftsherrn beruht auf der Verletzung einer Verkehrspflicht beim Einsatz von Hilfspersonen, auf deren Verhalten er aufgrund eines objektiven Abhängigkeitsverhältnisses planvoll steuernd Einfluss nehmen kann. Diese Pflicht besteht darin, Personen, die man für sich arbeiten lässt, sorgfältig auszuwählen, anzuleiten, zu beaufsichtigen und mit dem erforderlichen Gerät auszustatten, sodass aus dem Einsatz dieser Personen kein Schaden entsteht. Rechtsdogmatisch exakt ist es, die Regelung als Haftung für vermutete Verkehrspflichtverletzung zu charakterisieren; denn die Norm enthält eine Beweislastumkehr bereits bezüglich der Pflichtverletzung und nicht nur hinsichtlich des Verschuldens.
Rz. 685
Im Verhältnis zu § 823 BGB besteht Anspruchskonkurrenz; ebenso zu den besonderen Haftungsvorschriften der §§ 428, 462, 606 ff. HGB, § 15 AGG sowie den Gefährdungshaftungsvorschriften der § 7 StVG, §§ 1 und 2 HaftPflG, § 89 WHG sowie § 1 UmweltHG. Für Ersatzansprüche wegen pflichtwidrigen Verhaltens von Amtsträgern in Ausübung öffentlicher Gewalt gilt der Vorrang der Amtshaftung nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG. Für die Anwendung des § 831 BGB ist daneben kein Raum.