Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 852
Schon nach dem Wortlaut der § 839 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG ist Anspruchsvoraussetzung der Amtshaftung, dass die schadensstiftende Pflichtverletzung in Ausübung des dem Beamten anvertrauten öffentlichen Amtes erfolgt. Ob der Beamte im haftungsrechtlichen Sinn Beliehener, Selbstständiger oder sonstiger, unselbstständiger Verwaltungshelfer ist, spielt keine Rolle. Haftungsauslösend ist vielmehr jede schädigende Handlung, die in den Bereich der hoheitlichen Aufgabenerfüllung fällt. Bedient sich die öffentlich-rechtliche Körperschaft selbst privatrechtlicher Mittel und Organisationsformen (kommunale Gesellschaften; Krankenhaus in der Rechtsform einer GmbH) und ist die Tätigkeit der Körperschaft nicht hoheitlich geprägt, verbleibt es bei allgemeinen deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen. Allerdings können auch Mitarbeiter einer juristischen Person des Privatrechts durchaus als Verwaltungshelfer tätig werden.
Rz. 853
Hoheitsrechtliche Funktionen werden dann ausgeübt, wenn die handelnde Person mit exekutiven, hoheitlich ausgestalteten Aufgaben betraut ist. Das gilt auch für juristische Personen und deren Mitarbeiter, denen öffentlich-rechtliche Hoheitsbefugnisse übertragen sind. Aber nicht nur der Handlungsbereich, in dem die öffentliche Hand mit Befehl und Zwang agiert, unterliegt dem Regime der Amtshaftung. Vielmehr werden auch Tätigkeiten des schlichthoheitlichen Handelns, insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge erfasst.
Rz. 854
Zwischen der Zielsetzung der Aufgabenerfüllung und der schädigenden Handlung des Beamten muss ein innerer sachlicher Zusammenhang bestehen, aus dem sich ergibt, dass das Handeln dem Bereich der hoheitlichen Betätigung angehört. Die Abgrenzung, wann ein innerer Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der hoheitlichen Betätigung besteht und wann dieser Zusammenhang zu verneinen ist, bereitet nicht selten erhebliche Schwierigkeiten. Ein wichtiges Abgrenzungskriterium zur Beurteilung, ob dieser innere Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und hoheitlicher Betätigung zu bejahen ist oder mangels inneren Zusammenhangs das Verhalten der Verwaltung deren privatrechtlicher Betätigung zuzurechnen ist, kann die von der Verwaltung gewählte Rechtsform oder das gewählte Rechtsinstitut darstellen, dessen sie sich bedient. Aus der Organisationsform lässt sich andererseits nicht abschließend die Anwendung von Amtshaftungsrecht ableiten. Unproblematisch ist aber, wenn die Tätigkeit Ausübung staatlichen Zwangs ist, beispielsweise in allen Fällen der präventiven oder repressiven polizeilichen und ordnungsbehördlichen Gefahrenabwehr oder in Fällen, in denen ein Über- oder Unterordnungsverhältnis begründet wird. All diese Sachverhalte sind nach den Grundsätzen der Amtshaftung zu beurteilen.
Rz. 855
Die Deutsche Bahn AG und die Deutsche Post AG sind privatrechtlich organisiert. Die von ihnen begründeten Vertrags- und Benutzungsverhältnisse richten sich nach privatrechtlichen Rechtsvorschriften und auch außerhalb solcher Benutzungsverhältnisse scheidet aufgrund ihrer Organisationsform als Aktiengesellschaft die Anwendung der Amtshaftung aus. Nur soweit im Rahmen der Benutzungsverhältnisse die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben verbleibt, kommt Amtshaftungsrecht zur Anwendung; die Erfüllung dieser Aufgaben erfolgt ausdrücklich im Wege der Beleihung mit einer öffentlichen Aufgabe (z.B. bei förmlichen Zustellungen nach § 33 Abs. 1 PostG).
Rz. 856
Der Katastrophenschutz, die Feuerwehr und der öffentliche Rettungsdienst sind öffentliche Aufgaben. Die Berufsfeuerwehr wird stets in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig, auch Fahrten eines Feuerwehrwagens zur Überprüfung durch den TÜV sind dem hoheitlichen Bereich zuzurechnen. Die Tätigkeit der Freiwilligen Feuerwehr ist in der Regel nach Maßgabe des Landesrechts öffentlich-rechtlich ausgestaltet. In diesem Fall handelt sie auch bei ihren Übungen hoheitlich. Für den Rettungsdienst ist zu differenzieren, wenn auch für die Einordnung unerheblich ist, ob sich der Träger des Rettungsdienstes zur Durchführung freiwilliger Hilfsdienste bedient. Die Amtshaftung gilt für den Rettungsdienst jedenfalls in denjenigen Bundesländern, in denen er insgesamt hoheitliche Aufgabe ist (wie in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen), und in diesen Fällen auch für den Notarzt im Rettungsdiensteinsatz. Soweit private Organisationen mit der Wahrnehmung rettungsdienstlicher Aufgaben betraut sind und es an einer landesrechtlichen Regelung fehlt, nach der der Rettungsdienst insgesamt öffentliche Aufgabe ist, soll dagegen nicht nach den Grundsätzen der Amtshaftung gehaftet werden.
Rz. 857
Die Sammlung und Beseitigung der Abwässer in einer Gemeinde ist eine öffentliche Einrichtung und obliegt der Gemeinde als hoheitliche Aufgabe. Ebenso fallen Maßnahmen des Hochwasserschutzes in den Bereich der der öffentlichen Hand obliegenden Daseinsvors...