Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 1016
Die Verkehrssicherungspflicht für Bäume folgt im Grundsatz den allgemeinen Regeln der Verkehrssicherungspflicht. Für den Verkehrsraum können durch Straßenbäume, die zur Straße gehören (vgl. z.B. § 2 Abs. 2 Nr. 3 StrWG NRW) und deshalb der Straßenverkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers unterliegen, besondere Gefahren hervorgerufen werden, die aus den Geschwindigkeiten des Kraftfahrzeugverkehrs resultieren. Nicht von Bedeutung ist es, ob der Straßenbaulastträger Eigentümer des Baumes ist oder nicht. Auch die Eigentümer von Bäumen, die im Randbereich der Straße auf Anliegergrundstücken stehen, unterliegen der Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Straßenverkehr. Beantragt der Eigentümer eines Baums bei der zuständigen Naturschutzbehörde die Genehmigung, einen den Straßenverkehr gefährdenden Baum zu fällen, und versagt die Behörde diese Genehmigung, kann sie amtspflichtwidrig handeln.
Rz. 1017
Inhaltlich richtet sich die Verkehrssicherungspflicht auf die Kontrolle und Überwachung der Straßenbäume. Der pflichtige Straßenbaulastträger hat im Rahmen des Zumutbaren geeignete Maßnahmen zu treffen, die möglichen Schutz gegen Astbruch und mangelnde Standfestigkeit des Baumes gewährleisten. Das bedingt – bei fehlenden Hinweisen auf Krankheits- oder sonstige Schädigungsanzeichen – Sichtkontrollen vom Boden aus. Die obergerichtliche Forderung nach einer Kontrolle im halbjährlichen Turnus – einmal in belaubtem und einmal in unbelaubtem Zustand – wurde vom BGH zumindest revisionsrechtlich nicht beanstandet. Daraus kann allerdings nicht geschlussfolgert werden, dass der BGH – wie zum Teil vertreten wird – ein derartiges Kontrollintervall fordert, denn in der vorgenannten Entscheidung kam es auf die Kontrolldichte nicht an. Hinsichtlich der Frage, in welchem Turnus Baumkontrollen durchzuführen sind, ist der BGH vielmehr der Ansicht, dass eine Überprüfung "in angemessenen Abständen" zu erfolgen habe. In einer weiteren Entscheidung des BGH wird ausgeführt, dass die Frage nach der Häufigkeit und Intensität von Baumkontrollen nicht generell beantwortet werden könne, vielmehr hänge die Häufigkeit und der Umfang der Kontrollen vom Alter und vom Zustand des Baumes sowie seines Standorts ab.
Rz. 1018
Eingehende Untersuchungen der Straßenbäume, etwa durch Anbohren, sind nur dann durchzuführen, wenn sich bei Sichtprüfungen konkrete Verdachtsmomente ergeben, die Krankheitsanzeichen oder sonstige Schwächungen der Bruch- oder Standsicherheit nahelegen. Sie können sich aus äußerlich erkennbarem Befall mit Pilzen ergeben, deutlicher Totholzbildung, sonstigen Ausprägungen der Vegetation und aus einem hohen Alter des Baumes. Erweisen sich bestimmte Baumarten als besonders bruchgefährdet (z.B. Weichhölzer), ist allein dies noch kein Anlass, solche Bäume im Bereich von Straßen oder Parkplätzen gleichsam vorbeugend zu fällen oder besondere Schutzmaßnahmen zu treffen, denn auch in Anbetracht solcher Bäume gilt, dass ein Astabbruch zu den naturgebundenen und damit hinzunehmenden Lebensrisiken zählt.
Rz. 1019
Nicht zuletzt weil eingehende Untersuchungen aufwändig sind und zu einer Substanzschädigung des Baums führen können (Pilzbefall nach Anbohren), sind sie nur bei Hinweisen auf besonderes Gefahrenpotential des Baums geschuldet. Zeigen sich in einer Straße auffällig viele Baumschäden, kann es aber angezeigt sein, auch gesund erscheinende Bäume einer eingehenderen Untersuchung zu unterziehen. Erweist sich der Baum als standunsicher oder reichen Sanierungsmaßnahmen zur Verhinderung von gefährlichem Astwurf nicht aus, muss der Straßenbaum gefällt werden.
Rz. 1020
Die die Straßenbäume betreffende Verkehrssicherungspflicht dient auch dem Schutz der Eigentümer anliegender Grundstücke. Das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB bleibt auch in diesem Zusammenhang ausgeschlossen.
Rz. 1021
Neben dem Schutz vor abbrechenden Ästen und umstürzenden Bäumen ist es Inhalt der Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers, für einen ausreichenden Luftraum über der Straße zu sorgen, der der zugelassenen Höhe von Lkws (4 m) Rechnung trägt. Das gilt nicht bei Straßen von geringerer Verkehrsbedeutung, bei denen Äste, die auf geringerer Höhe in den Luftraum der Straße ragen, keine Sicherungspflichtverletzung darstellen, weil es bei dem Grundsatz bleibt, dass sich der Straßennutzer vor erkennbaren Gefahren vorrangig selbst zu schützen hat. Der Lichtraum über einer Bundesstraße muss dagegen auch in Randbereichen in einer Höhe von 4 m frei von Hindernissen sein. Darüber hinaus sind Gefahren durch Rückschnitt zu beseitigen, die von Bewuchs durch die Verdeckung von Verkehrszeichen und Einrichtungen ausgehen oder zu Sichtbehinderungen führen. Herabfallendes Laub löst Verkehrssicherungspflichten (Reinigung) allenfalls aus, soweit besondere, für die Straßenbenutzer unvermeidbare Gefahren geschaffen werden, auf die sie sich nicht einzustellen vermögen. Für waldty...