Rz. 806

Nach § 17 Abs. 4 StVG sind die in den Abs. 1–3 enthaltenen Regelungen zur Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier verursacht wird. Das bedeutet: Für die Schadensersatzpflicht ist die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs nach § 7 StVG, die den Fahrzeughalter trifft, gegen die Tiergefahr nach § 833 BGB, die den Tierhalter trifft, abzuwägen. Gemäß § 17 Abs. 1 StVG hängt dabei die Ersatzpflicht der beteiligten Fahrzeug- und Tierhalter gegenüber Dritten und im Verhältnis untereinander (§ 17 Abs. 2 StVG) von den Umständen, insbesondere davon ab, wessen Verursachungsanteil überwiegt. Ist kein Verkehrs- oder Sorgfaltsverstoß eines der Beteiligten nachweisbar, gilt für die Abwägung der Verursachungsanteile lediglich die Betriebs- und Tiergefahr. Allerdings wird dabei in der Regel die Tiergefahr deutlich überwiegen,[2444] weil sich Fahrzeuge bestimmungsgemäß auf öffentlichen Straßen aufhalten, während (große) Tiere dort in der Regel nichts zu suchen haben.[2445] Überwiegende Tiergefahr wird von der Rechtsprechung regelmäßig selbst dann angenommen, wenn die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs etwa durch unaufmerksame Fahrweise gesteigert wird.[2446] Gerade Reitpferde verkörpern für den Straßenverkehr ein hohes Gefahrenpotenzial, weil sie wegen der ihnen eigenen Sensibilität in der Regel schreckhaft sind und oft auf Geräusche oder andere ungewohnte Ereignisse unberechenbar reagieren.[2447] Dieser – für den Straßenverkehr besonders gefahrenträchtigen – tierischen Unberechenbarkeit soll gerade § 28 Abs. 1 StVO (siehe oben Rdn 792) vorbeugen.

 

Rz. 807

Bei einem Unfall von Tieren mit einer Eisenbahn ist bei der Haftungsabwägung zu berücksichtigen, dass regelmäßig der Haftungsteil desjenigen deutlich höher zu bemessen ist, der bei einem Unfall aus Verschulden haftet, wenn der weitere Haftungsanteil allein auf der Betriebsgefahr eines beteiligten Schienenfahrzeuges beruht.[2448] Jedoch bleibt auch bei grober Fahrlässigkeit des Tierhalters die Eisenbahnbetriebsgefahr nicht völlig außer Betracht.[2449]

[2444] Vgl. BGH, Urt. v. 30.11.1965 – VI ZR 3/64, VersR 1966, 186; Rebler, MDR 2012, 1204, 1207. Demgegenüber OLG Celle, Urt. v. 20.1.2016 – 14 U 128/13, VersR 2017, 567 für 50/50 bei wegen Motorengeräuschs scheuendem Pferd.
[2446] OLG Frankfurt, Urt. v. 6.10.1981 – 8 U 96/80, VersR 1982, 908; OLG Hamm, Urt. v. 29.1.1985 – 9 U 97/84, AgrarR 1985, 234; vgl. auch juris-PK/Moritz, § 833 Rn 62 ff.
[2447] BGH, Urt. v. 27.5.1986 – VI ZR 275/85, NJW 1986, 2501.
[2448] OLG München, Urt. v. 22.9.1989 – 10 U 5548/87, VersR 1991, 561.
[2449] BGH, Urt. v. 8.10.1957 – VI ZR 234/56, VersR 1958, 779.

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