Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 144
Der Grad des Verschuldens ist rein haftungsrechtlich betrachtet grundsätzlich ohne Bedeutung. Auch bei geringem Verschulden haftet der Schädiger in vollem Umfang. Eine Verteilung des Schadens aufgrund verschiedener Ursachenbeiträge ist dem deutschen Recht fremd. Mehrere Schädiger haften gemäß § 840 BGB als Gesamtschuldner, soweit nicht eine Rangfolge der Haftung vorgeschrieben ist wie z.B. in § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Erst beim Gesamtschuldnerausgleich kommt es auf das Maß der Verantwortlichkeit der einzelnen Schädiger an. Sind neben den haftungsrechtlich relevanten menschlichen Handlungen noch andere Ursachen, z.B. Naturereignisse, vorhanden, so tritt eine prozentuale Verteilung der Haftung nicht ein; der Schädiger haftet in vollem Umfang, auch wenn die Herbeiführung des Unfalls nicht ausschließlich auf seinem Handeln beruht hat.
Rz. 145
Gleichwohl spielt der Grad des Verschuldens in manchen Konstellationen eine für die Inanspruchnahme des Schädigers bedeutende Rolle. Beim Schmerzensgeld ist der Grad des Verschuldens ein Bemessungsfaktor. Vor allem aber auch für die Rückgriffsansprüche privater Versicherer und der Sozialversicherungsträger kann der Grad des Verschuldens von Bedeutung sein. Nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG geht, sofern dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zusteht, dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Für bestimmte Versicherungszweige kann dieser Rückgriffsanspruch nur unter eingeschränkten Voraussetzungen geltend gemacht werden. In der Gebäudefeuerversicherung ergibt eine ergänzende Vertragsauslegung einen konkludenten Regressverzicht des Versicherers für die Fälle, in denen der Wohnungsmieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat, sodass nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Rückgriff genommen werden kann, wobei der Versicherer die Voraussetzungen für die Annahme eines grob fahrlässigen Verhaltens des Schädigers darzulegen und zu beweisen hat. Nach § 110 Abs. 1 SGB VII haften Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben, den Sozialversicherungsträgern für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs. Auf grobe Fahrlässigkeit kann es auch ankommen, wenn der Schädiger wegen bloß fahrlässigen Verhaltens vereinbarungsgemäß oder nach Treu und Glauben nicht in Anspruch genommen werden kann. So ist bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Wettbewerbsregeln oder geringfügiger Regelverletzung die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht, etwa Autorennen, die Inanspruchnahme des schädigenden Wettbewerbers für solche – nicht versicherten – Schäden eines Mitbewerbers ausgeschlossen, die er ohne gewichtige Regelverletzung verursacht.
Rz. 146
Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dabei rechtfertigt ein objektiv grober Pflichtenverstoß für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr erscheint ein solcher Vorwurf nur dann als gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet. Deshalb müssen nicht nur zur objektiven Schwere der Pflichtwidrigkeit, sondern auch zur subjektiven (personalen) Seite konkrete Feststellungen getroffen werden. Ein Augenblicksversagen kann gegen grob fahrlässiges Verhalten sprechen, muss dies aber nicht.