Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 308
Verkehrssicherungspflichten können mit der Folge eigener Entlastung delegiert werden. Voraussetzung hierfür ist eine klare Absprache, die eine Ausschaltung von Gefahren sicherstellt. Dann verengt sich die Verkehrssicherungspflicht des ursprünglich allein Verantwortlichen auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht, die sich darauf erstreckt, ob der Dritte die übernommenen Sicherungspflichten auch tatsächlich ausgeführt hat. An die Überwachung wird ein strenger Maßstab angelegt. In der Regel delegiert der Eigentümer im Miet- und Pachtvertrag die Streupflicht auf den Mieter und Pächter. Auch die Bestellung eines Hausmeisters oder eines Verwalters mit entsprechendem Aufgabenbereich entbindet den Verkehrssicherungspflichtigen nicht von seiner Überwachungspflicht. Das Gleiche gilt für die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf ein Reinigungsunternehmen.
Rz. 309
Sieht die Hausordnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft einen Streudienst vor, der die einzelnen Eigentümer und die Mieter abwechselnd trifft, sind auch die mit der Durchführung der Streupflicht nicht betrauten Eigentümer zur Überwachung verpflichtet. An den Umfang der bei der Überwachung anzuwendenden Sorgfalt ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann die Verkehrssicherungspflicht auf den Verwalter, den Hausmeister oder einen Dritten delegieren; die Kontroll- und Überwachungspflicht der Wohnungseigentümer besteht daneben weiter. Auch der Wohnungseigentumsverwalter ist gegenüber Eigentümern und Dritten verkehrssicherungspflichtig. Er ist zur Vornahme von Gefahrabwehrhandlungen verpflichtet (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 und 3 sowie § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Ist Gefahr im Verzug, so muss er dieser Pflicht durch eine Eigengeschäftsführungsmaßnahme im Verhältnis zur Wohnungseigentümergemeinschaft nachkommen; andernfalls muss er für eine entsprechende Beschlussfassung durch die Eigentümer sorgen. Im Verhältnis zu Dritten haften Wohnungseigentümergemeinschaft und Verwalter als Gesamtschuldner. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht befugt, durch Mehrheitsbeschluss zu bestimmen, dass die Eigentümer im Winter räumen und streuen müssen, weil die Verkehrssicherungspflicht, die auch gegenüber Dritten besteht, nicht auf das Gemeinschaftseigentum bezogen ist. Eine Verpflichtung der einzelnen Wohnungseigentümer, die Räum- und Streupflicht im Wechsel zu erfüllen, kann daher mangels Beschlusskompetenz nicht durch einen Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch eine Vereinbarung begründet werden.
Rz. 310
Eine Vereinbarung im Kaufvertrag, wonach das Grundstück mit Gefahren, Lasten und Nutzungen zu einem bestimmten Zeitpunkt übernommen wird, ist in der Regel nicht dahingehend auszulegen, dass der Erwerber schon zu diesem Zeitpunkt die Streupflicht übernimmt. Diese geht, sofern sie nicht durch eine ausdrückliche Vereinbarung übernommen wurde, erst mit der Eigentumsumschreibung, nicht bereits mit dem Besitz oder der entsprechenden Abrede über.