Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 444
Sport und Fitness haben einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Die große Zahl der Sporttreibenden und die starke Anziehungskraft, die Sportveranstaltungen auf Zuschauer ausüben, begründen erhebliche Unfallgefahren. Ihnen wirken Verkehrssicherungspflichten entgegen, die in unterschiedlichen Beziehungen bestehen.
aa) Anforderungen an Sportanlagen und -geräte sowie an die Organisation von Sportveranstaltungen zum Schutz der Sportler
Rz. 445
Die Sporttreibenden müssen grds. nicht vor solchen Risiken geschützt werden, die typischerweise (vgl. Rdn 286) mit der Benutzung der Sportanlage oder des Sportgeräts sowie des Sportgeländes verbunden sind. Die Verkehrssicherungspflicht erfordert daher regelmäßig, die Benutzer vor nicht vorhersehbaren und nicht ohne weiteres erkennbaren Gefahren zu schützen, die über das übliche Risiko der Anlagen- und Gerätebenutzung hinausgehen. Der Umfang der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen richtet sich insbesondere danach, welcher Grad an Sicherheit nach Art des Sportgeräts oder der Sportanlage und dem Kreis der dafür zugelassenen Benutzer typischerweise erwartet werden kann.
Rz. 446
Die Verkehrssicherungspflichten, die den Organisator einer Sportveranstaltung zum Schutz der Teilnehmer treffen, beziehen sich grds. nicht darauf, die Sportler vor solchen Gefahren zu schützen, die mit ihrer Beteiligung typischerweise verbunden sind. Mit einem durch die Eigenart des praktizierten Sports erhöhtem Gefahrenniveau muss der Teilnehmer rechnen. Inhalt der Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters gegenüber den Sportausübenden ist es deshalb in erster Linie, den ihnen etwa drohenden verdeckten und atypischen Gefahren zu begegnen.
Jedenfalls wenn es um sportliche Betätigung über den Breitensport hinaus im Leistungsbereich mit besonderen körperlichen Herausforderungen geht, muss ein veranstaltender Sportverband aber damit rechnen, dass es während eines Trainings zu üblichen – ggfs. auch schweren – Sportverletzungen kommen kann. Er ist deshalb verpflichtet, den Teilnehmern im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren den Zugang zu Maßnahmen der Ersten Hilfe zu gewährleisten.
Rz. 447
Die Sicherheitserwartungen werden vom Regelwerk der Sportverbände entscheidend geprägt. Die Sporttreibenden dürfen regelmäßig darauf vertrauen, dass die Wettkampfstätten diesem entsprechen. So darf sich beispielsweise ein Tennisspieler darauf verlassen, dass die Auslaufzone hinter der Grundlinie die im Regelwerk vorhandene Größe aufweist (vgl. Rdn 487); ein Boxer darf grds. darauf vertrauen, dass die Seile des Boxrings so gespannt sind, dass sie bei Stürzen Halt bieten (s. Rdn 464).
bb) Schutz der Sporttreibenden voreinander
Rz. 448
Je nach Sportart bestehen unterschiedlich große Gefahren, dass sich die Sportler gegenseitig verletzen. Die zwischen den Sporttreibenden untereinander geltenden Sorgfaltsanforderungen werden durch das für die jeweilige Sportart geltende Regelwerk konkretisiert. Ein Sportler haftet nicht für Verletzungen, die er durch eine regelgerechte Sportausübung verursacht. Die regelwidrige Sportausübung kann dagegen zur Haftung führen. So verbietet beim Fußball z.B. die Regel 4 das Tragen von Ausrüstungsgegenständen, die für einen anderen Spieler eine Gefahr darstellen; die Regel 12 betrifft bestimmte verbotene Spielweisen. Bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotenzial, bei denen typischerweise auch unter Einhaltung der Wettbewerbsregeln oder geringfügiger Regelverletzung die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht, ist die Inanspruchnahme des schädigenden Wettbewerbers für solche Schäden eines Mitbewerbers grds. ausgeschlossen, die er ohne gewichtige Regelverletzung verursacht.
cc) Schutz der Zuschauer vor Gefahren des Sports
Rz. 449
Eine Verkehrssicherungspflicht besteht auch gegenüber Dritten, die in den konkreten Gefahrenbereich der Veranstaltung geraten. Der Veranstalter von Sportwettkämpfen mit Publikumsinteresse ist verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um Zuschauer vor Gefahren, die typischerweise mit dem Sportbetrieb verbunden sind, zu schützen. Denn er schafft durch die Veranstaltung eine Gefahrenlage für die Zuschauer und lässt diesen gefährlichen Zustand während der Veranstaltung andauern. So müssen etwa die Zuschauer vor Gefahren durch abirrende Wurf- oder sonstige Sportgeräte geschützt werden, sofern sie diesen Gefahren nicht selbst durch Abfangen oder Ausweichen begegnen können.
dd) Schutz der Sportler vor Gefahren durch Zuschauer
Rz. 450
Bei Sportereignissen kommt es nicht selten zu Übergriffen von "Fans" auf die gegne...