Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 1007
Der Gehweg ist Teil der öffentlichen Straße; für ihn trägt deshalb die zuständige Körperschaft die Verkehrssicherungspflicht. Gehwege sind Verkehrsflächen, die von der Fahrbahn äußerlich abgegrenzt und für den Fußgängerverkehr bestimmt sind. Das kann auch ein neben der Fahrbahn liegendes Bankett sein. Im Bereich der Gehwege kommt eine Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf die Anlieger durch Satzung, insbesondere im Bereich des Winterdienstes, in Betracht.
Rz. 1008
Bei der Bemessung der Verkehrspflichten hinsichtlich Gehwegen ist zu berücksichtigen, dass einerseits Fußgänger keine hohen Geschwindigkeiten erreichen und innerhalb ihrer Reaktionszeit nur kurze Strecken zurücklegen; auf der anderen Seite kann die Aufmerksamkeit von Fußgängern von der vor ihnen liegenden Verkehrsfläche abgelenkt sein, wie etwa bei Fußgängerzonen bedingt durch Schaufenster. Auch kann starker Fußgängerverkehr die Erkennbarkeit von Schäden und Mängeln der Gehwegoberfläche beeinträchtigen. Letztlich sind Fußgänger häufig weniger leicht in der Lage, eine größere Unebenheit problemlos zu tolerieren als das bei Kraftfahrzeugen der Fall ist. Bei welchen Sachverhalten eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle auf einem Gehweg anzunehmen ist, ist deshalb an den objektiven Umständen der jeweiligen Örtlichkeit zu bemessen. Handelt es sich um einen Gehweg, der erkennbar keinen hohen Sicherheitsstandard aufweist, sind Gefahrenquellen hinnehmbar, die in anderen Bereichen, etwa in gut ausgebauten Fußgängerzonen, nicht hingenommen werden können. Auf der anderen Seite darf nach der Regelung des § 7 Abs. 2 S. 2 BerlStrG ein Gehweg auch nicht in desolatem Zustand bleiben, der den Fußgänger selbst bei Ausweichen dazu zwingt, eine andere schadhafte Stelle zu betreten.
Rz. 1009
Dazu, was bei flüchtigem Hinsehen jeder vernünftige Nutzer des Gehwegs erkennen und worauf er sich einstellen kann, hat sich unter diesen Prämissen eine umfangreiche Kasuistik entwickelt. Danach soll im Bereich einer Fußgängerzone eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle anzunehmen sein, wenn sich Stolperkanten in Gehwegflächen von mehr als 2 cm Niveauunterschied gebildet haben. Bis zu dieser Höhe besteht ein Niveauunterschied, der von Fußgängern als grundsätzlich beherrschbar anzusehen ist. Diese Erheblichkeitsschwelle von 2 cm ist dabei nicht nur im Bereich von Fußgängerzonen anzusetzen, sondern generell bei rege frequentierten Bereichen, etwa Einkaufszentren. Bei besonderen Umständen kann aber ein Niveauunterscheid von über 2 cm noch hinnehmbar sein, etwa wenn sich aufgrund des Gesamtbildes des Gehwegbereichs der Zustand bereits bei flüchtigem Hinsehen aufdrängt.
Rz. 1010
Abgesenkte Anforderungen gelten für Gehwege mit geringem oder normalem Verkehr, wo die Benutzer nicht durch Schaufenster und deren Auslagen oder auf sonstige Weise abgelenkt sind. Dies betrifft Gehwegbereiche z.B. in Wohnbereichen, wo ein Höhenversatz von bis zu 3 cm zu tolerieren ist. Der Verkehrssicherungspflichtige darf seine Erwägungen davon leiten lassen, dass Übergangsbereiche zwischen verschiedenen Verkehrsflächen, die häufig durch sich voneinander abhebende Oberflächen geprägt sind, erkannt werden und damit die mit ihnen verbundenen unterschiedlichen Sicherheitsstandards. Auch besondere Gestaltungen von Gehwegen wie Stufen, Absätze, Übergangsbereiche zu Parkflächen, Randbereiche werden in der Regel von Fußgängern hinreichend erkannt, weshalb der Sicherungspflichtige das auch erwarten darf. Sind Gehwege mit Natur- oder Kopfsteinpflaster ausgelegt, ist es vorrangig Sache der Fußgänger, sich auf etwaige Besonderheiten des Belags und dessen Unebenheiten einzustellen.
Rz. 1011
Eine besondere Verkehrssicherungspflicht auf Gehwegen (und sonstigen Verkehrsflächen) zum Schutze von Inlineskatern besteht nicht. Für sie gelten die Vorschriften für den Fußgängerverkehr entsprechend (§ 24 Abs. 1 StVO), weshalb sie nur erwarten dürfen, dass der von ihnen befahrene Gehweg dem Sicherheitsbedürfnis eines Fußgängers entspricht. Inlineskater können daher keine bessere Bodenbeschaffenheit erwarten als die anderen zugelassenen Verkehrsteilnehmer.
Rz. 1012
Zwar folgt aus der allgemeinen Straßenverkehrssicherungspflicht keine Beleuchtungspflicht, sie kann jedoch durch ein Landesstraßengesetz (z.B. Berlin, Bayern, BW) angeordnet sein. In den meisten Bundesländern – so auch in Nordrhein-Westfalen – besteht jedenfalls keine generelle Beleuchtungspflicht. Sie kann aber dort bestehen, wo sich eine Gefahrenstelle infolge von Dunkelheit ergibt, wie etwa im Bereich von Verkehrsinseln oder Baustellen. Allerdings stehen Fußgängern anders als Kraftfahrzeugen, Motorrädern und Fahrrädern in der Regel keine eigenen Beleuchtungseinrichtungen zur Verfügung, so dass die Ausleuchtung der Verkehrsfläche bei Dunkelheit für den Fußgängerverkehr besondere Bedeutung hat. Dennoch folgt aus der Straßenverkehrssicherungspflicht eine Pflicht zur Beleuchtung auch ...