Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 331
Grundsätzlich ist zunächst jeder Bauherr selbst verkehrssicherungspflichtig, da er die Baumaßnahmen veranlasst hat und damit auch dafür sorgen muss, dass von seinem Bauvorhaben keine Gefahren ausgehen. Führt er den Bau selbst oder mithilfe von Bekannten, Verwandten oder Nachbarn – ohne die Beauftragung eines Architekten oder Bauunternehmers – durch, so ist er in vollem Umfang verkehrssicherungspflichtig. Ein Bauherr wird von seiner Verantwortung für die verkehrssichere Errichtung eines Bauwerks weitgehend dadurch befreit, dass er mit der Planung und Bauleitung einen bewährten Architekten beauftragt. Er genügt seiner Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich auch dadurch, dass er einen als zuverlässig geltenden und sachkundigen Unternehmer beauftragt, da einem unkundigen Bauherrn nicht mehr zugemutet werden kann. Allerdings trifft ihn, ebenso wie den mit der örtlichen Bauaufsicht, Bauleitung oder Bauüberwachung beauftragten Architekten, eine sekundäre Verkehrssicherungspflicht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Unternehmer in dieser Hinsicht nicht genügend sachkundig oder zuverlässig ist, wenn er Gefahrenquellen erkannt hat oder wenn er diese bei gewissenhafter Beobachtung der ihm obliegenden Sorgfalt hätte erkennen können. Der Bauherr muss aber die Baustelle nicht eingehend überprüfen; insoweit sind keine allzu hohen Anforderungen an den Bauherrn zu stellen.
Rz. 332
Beispiele zur Frage der Verantwortlichkeit des Bauherrn neben dem Bauunternehmer oder dem Architekten:
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Der Auftraggeber von Abbrucharbeiten für ein mehrstöckiges Gebäude in unmittelbarer Nähe einer Bundesstraße haftet für durch unsachgemäße Ausführung der Arbeiten entstandene Schäden, wenn er sich nicht über die Zuverlässigkeit des Abbruchunternehmers erkundigt und ihn nicht überwacht. |
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Betreibt der Bauherr eine Einrichtung während der Baumaßnahme weiter, bleibt er originär verkehrssicherungspflichtig für die Abwendung von Gefährdungen für die Benutzer. So haftet der Betreiber einer Sporthalle, bei der ein Teil des Geländers einer Tribüne wegen Baumaßnahmen entfernt ist, für die Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Absicherung. |
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Der Veranlasser eines Baustellenverkehrs mit Schwertransportern über einen unzureichend ausgebauten Zuweg haftet für dadurch entstandene Schäden. |
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Der Bauherr haftet nicht, wenn er einen als zuverlässig geltenden Bauunternehmer oder Architekten mit der Anlage eines Platzes durch Einsatz einer Rüttelwalze in unmittelbarer Nähe eines Nachbargebäudes beauftragt. Bei für die angrenzende Bebauung besonders gefährlichen Arbeiten, beispielsweise bei schwierigen Unterfangungsarbeiten, kann der Bauherr verpflichtet sein zu prüfen, ob der Architekt den Statiker beauftragt hat, dem Bauunternehmer Angaben über die Art und Weise der Herstellung der Unterfangung zu geben. |
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Der Bauherr haftet, wenn er Verkehr durch erleuchtete Schaufenster anlockt und ein Kellerschacht nicht ordnungsgemäß abgesichert ist. |
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Die Bundesrepublik Deutschland haftet als Bauherrin auf einer Großbaustelle, wenn diese dort ein Baubüro unterhält und der Bauunternehmer einen sieben Meter tiefen Schacht nur mit einer verschiebbaren Platte abgedeckt hatte. |