Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 1036
Innerhalb geschlossener Ortslagen sind Fahrbahnen der Straßen bei winterlichen Verhältnissen nur an zugleich gefährlichen und verkehrswichtigen Stellen zu räumen und zu streuen. Dabei kommt es auf die Erkennbarkeit der Gefahr, das Ausmaß drohender Schäden und die berechtigte Erwartung des Verkehrs auf der einen Seite und die Zumutbarkeit von Abhilfemaßnahmen auf der anderen Seite an.
Rz. 1037
Verkehrswichtig sind die innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen, insbesondere solche, die in den Zentren liegen, Ortsdurchfahrten und stark frequentierte Verbindungswege, die beispielsweise der Erschließung von Versorgungseinrichtungen (Einkaufsmärkte, Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser) dienen. Reine Anliegerstraßen ohne bzw. mit nur geringem Durchgangsverkehr sind nicht verkehrswichtig.
Rz. 1038
Gefährlich im Sinne der Rechtsprechung können Stellen sein, bei denen sich die aus Glättebildung resultierenden Gefahren für den Fahrverkehr besonders auswirken können, etwa weil gebremst oder die Fahrtrichtung geändert werden muss oder bei Gefällestrecken. Entscheidend sind allerdings die Umstände des Einzelfalls. Im Falle einer reinen Anliegerstraße vermag allein ein Gefälle von 10 % noch keine Gefährlichkeit zu begründen, wenn die Nutzer mit dem Auftreten von Glätte rechnen müssen. Einmündungen auch untergeordneter Nebenstraßen können im Einzelfall dazu gehören. Die vorgenannte Rechtsprechung nimmt dabei an, dass bei Glätte die nicht vorfahrberechtigten Verkehrsteilnehmer der untergeordneten Straße unter Umständen drohen, in die bevorrechtigte (verkehrswichtige) Straße hereinzurutschen, da sie etwa bedingt durch ein Gefälle oder eine Unübersichtlichkeit des Einmündungsbereichs glättebedingt nicht abzubremsen vermögen. Deshalb nehme in solchen Fällen auch der Einmündungsbereich der Nebenstraße an der Verkehrsbedeutung der Hauptverkehrsstraße teil. Diese Auffassung ist jedoch nicht unumstritten und wird von weiten Teilen der Rechtsprechung nicht geteilt, etwa da eine Einbeziehung derartiger Einmündungsbereiche in den kommunalen Winterdienst in zeitlicher und wirtschaftlicher Sicht nicht für zumutbar erachtet wird.
Rz. 1039
Die Frage der Gefährlichkeit und Verkehrswichtigkeit einer Straße kann im Einzelfall abweichend vom sonstigen Gepräge der Straße zu beurteilen sein, wenn ein erhöhtes Verkehrsaufkommen an verkaufsoffenen Samstagen durch Sperrung der verkehrswichtigen Geschäftsstraße auf eine Wohnstraße umgeleitet oder der Verkehr zu einer Großveranstaltung über Nebenstraßen geführt wird. Dass eine Nebenstraße üblicherweise tatsächlich abgestreut wird, rechtfertigt jedoch allein nicht den Schluss auf die Verkehrswichtigkeit und Gefährlichkeit der Straße und damit darauf, dass eine Pflicht besteht, Winterdienst durchzuführen.
Rz. 1040
Zwar sind verkehrsberuhigte Bereiche nicht schon deshalb generell vom Winterdienst ausgeschlossen, weil der Kraftverkehr in ihnen Einschränkungen unterliegt. Andererseits kommen für die Einrichtung verkehrsberuhigter Bereiche nur einzelne Straßen mit überwiegender Aufenthaltsfunktion und sehr geringem Verkehr in Betracht (vgl. § 45 Abs. 1b Nr. 3, 1d StVO). Dem entspricht, dass eine Sicherungspflicht zugunsten des Fahrverkehrs in der Regel nicht besteht.