Rz. 1205

Die Beweislast für gefahrerhöhende Umstände trägt somit immer der Unfallbeteiligte, der sich auf sie beruft, und zwar unabhängig davon, ob er zufällig Anspruchssteller oder Anspruchsgegner ist. Der beweisbelasteten Seite kommt zum Nachweis gefahrerhöhender Umstände (z.B. Verschulden des anderen Teils bei Auffahrunfall wegen Unachtsamkeit oder zu geringen Abstands) häufig der Anscheinsbeweis zugute, der dann vom Gegner erschüttert werden muss. Dabei ist allerdings besonders darauf zu achten, dass die Rechtsgrundsätze zum Anscheinsbeweis nur dann herangezogen werden dürfen, wenn sich unter Berücksichtigung aller unstreitigen und festgestellten Einzelumstände und besonderen Merkmale des Sachverhalts ein für die zu beweisende Tatsache nach der Lebenserfahrung typischer Geschehensablauf ergibt.[3434]

 

Rz. 1206

Als berücksichtigungsfähige gefahrerhöhende Umstände ausgeschlossen sind auch hier rein abstrakte Erwägungen zur allgemeinen Gefährlichkeit eines bestimmten Verkehrsverhaltens, bestimmter Verkehrsvorgänge oder sonstiger technischer Gegebenheiten. Ist der Unfallhergang streitig geblieben, ist allein von dem zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Sachverhalt und dem Vorbringen der Parteien auszugehen. Deshalb muss die Abwägung zur gleichgewichtigen Verantwortlichkeit führen, wenn bei einem Verkehrsunfall zweier Kraftfahrzeuge mit gleicher allgemeiner Betriebsgefahr unaufgeklärt bleibt, welcher der Beteiligten für seine Fahrtrichtung an einer ampelgeregelten Kreuzung Grünlicht hatte. Die höhere Gefährlichkeit des Linksabbiegens (§ 9 StVO) ist in einem solchen Fall eine nur abstrakte und deshalb unbeachtliche Erwägung

 

Rz. 1207

Die Verletzung gesetzlich auferlegter Verkehrspflichten, gleich, ob sie allgemeiner oder spezieller Natur sind, begründen ebenfalls nicht ohne weiteres einen die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges erhöhenden Umstand. Ihre schadenswirksame Missachtung und Auswirkung müssen konkret festgestellt werden. Auch dafür trägt der andere Teil die Darlegungs- und Beweislast, bei der dann aber in vielen Fällen der Anscheinsbeweis hilft.

 

Rz. 1208

Die Tatsachen, mit denen die Erhöhung der Betriebsgefahr begründet werden soll, unterliegen den strengen Beweisanforderungen des § 286 ZPO.[3435]

[3434] Vgl. BGH, Urt. v. 15.5.2018 – VI ZR 231/17, Rn 10, juris = VersR 2018, 957; BGH, Urt. v. 13.12.2011– VI ZR 177/10, Rn 7, juris = NJW 2012, 608; BGH, Urt. v. 19.3.1996 – VI ZR 380/94, Rn 10, juris = NJW 1996, 1828.
[3435] Vgl. BGH, Urt. v. 10.1.1995 – VI ZR 247/94, Rn 11, juris = NJW 1995, 1029.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge