Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 920
Im Bereich der Verletzung hoheitlich ausgestalteter Verkehrssicherungspflichten ist nach gefestigter Rechtsprechung das Verweisungsprivileg nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht anzuwenden. Hierunter fällt vor allem die durch die Landesstraßengesetze und die landesrechtlichen Straßenreinigungsgesetze den Straßenbaulastträgern auferlegte Pflicht der Wegesicherung, die auf dem Grundsatz der allgemeinen Pflicht der Verkehrssicherung zum Schutze der Rechtsgüter, die dem allgemeinen Deliktsrecht unterfallen, fußt.
Rz. 921
Mit dieser Einschränkung des Verweisungsprivilegs soll der sachlichen Gleichheit der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht, die jedem obliegt, der in seinem Herrschaftsbereich einen Verkehr eröffnet oder eine Gefahr schafft oder unterhält, auch haftungsrechtlich entsprochen werden. Der Ausschluss des Verweisungsprivilegs gilt selbst dann, wenn die Amtspflicht zur Gefahrenabwehr nicht ausschließlich auf dem Gedanken der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht beruht, sondern auch auf spezialgesetzlicher, hoheitlicher Aufgabenzuweisung, wie z.B. den Aufgaben der Polizei bei der Sicherung von Gefahren, die durch Einwirkungen eines Verkehrsunfalls auf der Straße entstehen. Bei Verletzung der polizeilichen Mitteilungspflichten in solchen Fällen oder bei Beschädigungen oder Funktionsstörungen von Verkehrsregelungsanlagen (Funktionsstörung einer Wechsellichtzeichenanlage) bleibt es bei der subsidiären Staatshaftung. Hat der Hoheitsträger die dem Bereich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht unterfallenden, als Amtspflicht ausgestalteten Aufgaben zulässigerweise auf private Dritte delegiert, verbleibt bei ihm die Amtspflicht zur Überwachung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten durch diese Dritten, für die der Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung gilt, sodass die Anwendung des Verweisungsprivilegs ausgeschlossen ist.
Rz. 922
Bei Verletzung der Verkehrsregelungspflicht greift das Haftungsprivileg nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ein. Die Wahrnehmung dieser Pflichten, insbesondere die Anbringung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nach §§ 44 Abs. 1, 45 Abs. 3, 4 StVO ist stets hoheitlich und findet keine Entsprechung in deckungsgleichen Pflichten der allgemeinen Verkehrssicherung. Überschneiden sich die Verkehrsregelungspflicht und die Verkehrssicherungspflicht im Ausnahmefall, wirkt sich die Geltung des Subsidiaritätsgrundsatzes auf der einen Seite und dessen Ausschluss auf der anderen Seite jedoch dann nicht aus, wenn die beiden Seiten obliegenden Aufgaben hoheitlich ausgestaltet sind. Ist die Verkehrssicherungspflicht jedoch auf eine Privatperson übertragen und hat die sicherungspflichtige Behörde keine Kontrollpflichten verletzt, schließt das Verweisungsprivileg Ansprüche wegen Verletzung der Verkehrsregelungspflicht aus.