Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 565
§ 828 BGB
(1) Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.
(2) Wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn er die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt hat.
(3) Wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist, sofern seine Verantwortlichkeit nicht nach Absatz 1 oder 2 ausgeschlossen ist, für den Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat.
I. Allgemeines
Rz. 566
Durch das Schadensersatzrechtsänderungsgesetz (Zweites Gesetz zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002 – BGBl I 2674) hat § 828 BGB mit Wirkung ab dem 1.8.2002 gegenüber der Vorauflage eine Änderung erfahren. Abs. 2 ist neu eingefügt worden, Abs. 3 entspricht Abs. 2 alter Fassung.
Rz. 567
§ 828 BGB schließt die Verantwortlichkeit des minderjährigen Schädigers aus. Entsprechendes gilt für das Mitverschulden des geschädigten Minderjährigen im Sinne des § 254 BGB. Ausnahmsweise kommt ein Anspruch des Geschädigten aus § 829 BGB in Betracht (vgl. Rdn 596 ff.). Möglicherweise haften die Eltern selbst wegen Verletzung der Aufsichtspflicht gem. § 832 BGB (dazu Rdn 713 ff.). Eltern, die aus moralischen Gründen oder aus Gründen einvernehmlichen Zusammenlebens (Schäden von kleinen Kindern werden oft im Bekanntenkreis oder in der Nachbarschaft verursacht) beabsichtigen, von ihren nicht deliktsfähigen Kindern angerichtete Schäden zu ersetzen, können bei einigen Versicherern eine Haftpflichtversicherung abschließen, die – zumindest in begrenzter Höhe – Versicherungsleistungen auch bei Deliktsunfähigkeit von Kindern umfasst.
Rz. 568
Soweit das Kind bzw. der Jugendliche Opfer eines Unfalls ist, sollte unbedingt geklärt werden, ob der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht. Kinder und Jugendliche im Kindergarten, in Tageseinrichtungen, in der Grundschule, in weiterführenden Schulen, anlässlich von Prüfungen, in der Ausbildung (Lehre, Berufsschule), im Studium oder in einer Werkstatt für Behinderte sind in vielen Fällen gesetzlich unfallversichert (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4, 8 SGB VII). Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz bringt, insbesondere wenn ein Mitverschulden im Raum steht, dem Geschädigten oft mehr, als die zivilrechtliche Haftung des Unfallgegners (vgl. auch Rdn 247 ff.). Für Unfälle, die nicht unter die gesetzliche Unfallversicherung fallen, kann evtl. eine private Unfallversicherung in Anspruch genommen werden. Die Kosten dafür werden leider im SGB II-Bereich bei unter 14-jährigen Kindern als "unangemessene Versicherung" angesehen, so dass die Kosten nicht berücksichtigt werden können. Anderes gilt für die Kosten einer privaten Familienhaftpflichtversicherung. Eine Privathaftpflichtversicherung für zweijährige (deliktsunfähige) Kinder wird demgegenüber nun wiederum als "unangemessen" angesehen.
II. Bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres
Rz. 569
Bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres sind Kinder in vollem Umfang von einer Verantwortung frei (§ 828 Abs. 1 BGB).
III. Von der Vollendung des siebten bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres
Rz. 570
Hier sind Kinder unter bestimmten Umständen, nämlich dann, wenn Schäden bei Unfällen im motorisierten Straßen- oder Bahnverkehr – ohne Vorsatz – verursacht werden, von der Verantwortung frei (§ 828 Abs. 2 BGB). Dies wird manchmal mit dem Argument kritisiert, dass nicht einzusehen sei, warum ein Kraftfahrzeughalter oder Fahrer, der sich ordnungsgemäß verhalten hat, dem deliktsunfähigen Kind auf Grund der §§ 7 ff. StVG in vollem Umfang haftet und keinen Ersatz der ihm entstandenen Schäden erhält. Dem ist entgegenzutreten. Die beschriebenen Nachteile der Halter und Fahrer bestanden schon bisher bei Kindern bis zur Vollendung des siebten Lebensjahrs. Die Neuregelung erweitert lediglich für einen bestimmten Bereich den Zeitraum der Deliktsunfähigkeit. Für die Haftung nach dem StVG besteht eine Pflichthaftpflichtversicherung. Schäden sind nur im Rahmen der Haftungshöchstbeträge zu ersetzen. Die Eigenschäden der Halter können jedenfalls in bestimmtem Umfang durch eine Kaskoversicherung abgedeckt werden. Zwar können durch einen von einem deliktsunfähigen Kind verursachten Unfall den Beteiligten Schäden, insbesondere Personenschäden entstehen, die nicht durch eine Versicherung abgedeckt sind. Insoweit unterscheidet sich der von einem deliktsunfähigen Kind verursachte Schaden ab...