Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 1267
Nach § 5 Abs. 1 StVO ist links zu überholen. Dies darf wiederrum nach Abs. 2 nur geschehen, wenn übersehen werden kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Das Überholen ist bei unklarer Verkehrslage oder wenn es durch ein entsprechendes Verkehrszeichen untersagt ist, unzulässig (Abs. 3). Im Übrigen regelt § 5 StVO verschiedene Detailfragen.
Rz. 1268
Bei einem Überholvorgang sind beiden Seiten besondere Verkehrspflichten auferlegt. Die Hauptverantwortung trägt im Ausgangspunkt der Abwägung jedoch der Überholer, der den Vorgang in erster Linie beherrschen muss. Den Überholer, der mit dem Entgegenkommenden auf der Gegenfahrbahn kollidiert, trifft die volle Haftung. Die volle Haftung des Überholers kann sogar dann gerechtfertigt sein, wenn der Entgegenkommende gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen hat. Einen Verkehrsteilnehmer, der durch das Überholmanöver eines entgegenkommenden Kraftfahrzeuges zum Abbremsen veranlasst wird und dabei ins Rutschen kommt, trifft keine Mithaftung. Hälftige Haftungsteilung tritt bei einem Verschulden beider Fahrzeugführer ein – Verschulden des zu Überholenden durch Beschleunigen und Nichtbeendigung des Überholvorgangs durch Überholer vor Linkskurve. Kommt ein Pkw-Führer mit seinem Fahrzeug von der Fahrbahn ab, wenn er bei schlechter Fahrbahn und eingeschränkten Sichtverhältnissen mit überhöhter Geschwindigkeit vier Fahrzeuge in einem Zuge überholt, hat er seinen Schaden allein zu tragen. Dies gilt auch dann, wenn er nur auf den Schlenker des ersten Fahrzeuges nach links reagiert, das einem rechts abbiegenden langsamen Kraftfahrzeug in Geradeausfahrt leicht ausgewichen ist. Die Betriebsgefahr eines Pkw, der mit einer Geschwindigkeit von 170 km/h eine Lastwagenkolonne überholt, fällt auch gegenüber dem Verschulden eines ausscherenden Lastkraftwagens erheblich (hier mit 1:3) ins Gewicht. Wer eine haltende Fahrzeugschlange, bei der das an der Spitze der Kolonne befindliche Fahrzeug angehalten hat, um einem Pkw-Fahrer die Ausfahrt aus einer Parkbucht zu ermöglichen, trotz durchgezogener Linie (Zeichen 295) auf dem Gegenfahrstreifen überholt und dabei mit dem rückwärts ausparkenden Pkw kollidiert, erhält von dessen Halter lediglich ⅔ seines Schadens ersetzt. Der Halter eines Kleintransporters, der eine aus drei Fahrzeugen bestehende Fahrzeugkolonne überholt und mit dem mittleren dieser drei vorausfahrenden Fahrzeuge kollidiert, weil dieses Fahrzeug plötzlich nach links ausschert, muss sich eine Mitverantwortlichkeit von 30 % anrechnen lassen. Hälftige Schadensteilung ist angemessen, wenn ein Pkw-Fahrer eine Fahrbahnbegrenzungslinie (Zeichen 295) nach links überfährt, um zu überholen, und es dadurch zum Unfall kommt, dass ein vorausfahrendes Fahrzeug, dessen Fahrer kein nachweisbares Verschulden trifft, ebenfalls nach links wechselt. Ein Wartepflichtiger, der nach rechts in eine Vorfahrtstraße einbiegt und dort mit einem aus seiner Sicht von rechts kommenden überholenden Fahrzeug kollidiert, haftet allein.