Rz. 962

Was den Haftungsumfang angeht, schützt § 1 StHG das gesamte Vermögen, also das Eigentum im Sinne des Art. 14 GG, mithin nicht nur das Eigentum an Sachen, sondern auch die Inhaberschaft an Forderungen und Rechten sonstiger Art. Der BGH legt die Vorschrift dahin aus, dass sie auch einen Anspruch auf ­Ersatz entgangenen Gewinns gewährt.[2983] Diese weite Auslegung entspricht nicht dem Willen des his­torischen Gesetzgebers zur Erhaltung der zu DDR-Zeiten "erreichten" Haftungsstandards.[2984] Vom ­An­wendungsbereich des StHG sind auch Schäden an Körper und Gesundheit erfasst. Aufgrund der "dynamischen" Verweisung auf die Vorschriften des Zivilrechts besteht, zunächst nach dem zwischenzeitlich aufgehobenen § 847 BGB und jetzt gemäß § 253 Abs. 2 BGB auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld.[2985] Gemäß § 3 Abs. 2 StHG bestimmt sich der Umfang des Schadensersatzes nach den zivilrechtlichen Vorschriften, wobei der Ersatzpflichtige den Schaden aber auch durch Wiederherstellung des vor dem Schadensfall bestehenden Zustandes ausgleichen kann.[2986]

 

Rz. 963

Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 254 BGB hat gemäß § 2 StHG der Bürger alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um einen Schaden zu verhindern oder zu mindern. Verletzt er diese Pflicht schuldhaft, so wird die Haftung entsprechend eingeschränkt oder ausgeschlossen. Allerdings ist zu beachten, dass auch im Anwendungsbereich des Staatshaftungsgesetzes der Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes gilt. Hat der Geschädigte von den Möglichkeiten des Primärrechtsschutzes schuldhaft keinen Gebrauch gemacht, sodass gemäß § 839 Abs. 3 BGB ein Amtshaftungsanspruch ausgeschlossen ist, gilt für einen Anspruch aus § 1 StHG nichts anderes.

[2984] Vgl. Krohn, Enteignung, Entschädigung, Staatshaftung, 1993, RWS-Skript, S. 87 ff.; kritisch zur Rechtsprechung auch Schumacher, Handbuch der Kommunalhaftung, 5. Aufl., Kap. 4 Rn 91; ders., Die deutsche Einheit im Spiegel der Rechtsprechung des BGH zum Staatshaftungsrecht, BADK 2010, S. 123 ff.; a.A. Ossenbühl/Cornils, a.a.O., S. 586, die die Auffassung vertreten, das LG Potsdam habe mit dem einen Anspruch aus entgangenem Gewinn verneinenden Urteil aus dem Jahr 2000 (LKV 2001, 282) die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschritten.
[2985] Ossenbühl/Cornils, a.a.O., S. 586; anders noch Schumacher, Handbuch der Kommunalhaftung, Kap. 4 Rn 90 unter Hinweis auf Rüfner, BADK-Information 1991, S. 100 sowie Krohn, Enteignung, Entschädigung, Staatshaftung, 1993, RWS-Skript, S. 82.
[2986] § 3 Abs. 1 StHG.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge