Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 789
Die Haftung des Halters von Nutz- oder Berufstieren entfällt nach der ersten Variante des § 833 S. 2 BGB, wenn er bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. Hierfür trägt der Tierhalter die Beweislast, wobei der Entlastungsbeweis strengen Anforderungen unterliegt. Die Unaufklärbarkeit eines für die Entlastung des Tierhalters maßgeblichen Umstandes, etwa wie ein Tier aus einer umzäunten Weide herausgekommen ist, geht zu dessen Lasten.
Rz. 790
Für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten ist maßgebend, wie sich ein durchschnittlich gewissenhafter Tierhalter unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles normalerweise verhalten hätte. Es muss nicht jeder abstrakten Gefahr durch Vorbeugemaßnahmen begegnet, jedenfalls aber typischen, wenn auch selten eintretenden Gefahren vorgebeugt werden. Es bedarf nur solcher Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf und die ihm den Umständen nach zumutbar sind, um andere Personen vor Schaden zu bewahren. Das Maß der vom Tierhalter zu beobachtenden Sorgfalt hängt von der Gattung und den besonderen Eigenschaften des Tieres, die er kennt oder kennen muss, sowie den sonstigen Umständen ab. Auch von der jeweiligen örtlichen Situation sind diese Sorgfaltsanforderungen beeinflusst. An die zu fordernde Sorgfalt ist deshalb ein strengerer Maßstab anzulegen, wenn der Stall, der Hundezwinger oder die Weide in der Nähe einer stark befahrenen Straße oder Bahnlinie liegen oder gar an eine Autobahn angrenzen.
Rz. 791
Unter Beaufsichtigung ist die Sorge dafür zu verstehen, dass das Tier keinen Schaden anrichtet. Bei Übertragung der Tieraufsicht an einen Dritten muss eine geeignete Person ausgewählt, dem Dritten die erforderlichen Anweisungen erteilt und deren Einhaltung überwacht werden.
Rz. 792
Im Straßenverkehr gilt insbesondere § 28 StVO (vgl. dazu unten Rdn 806):
(1) Haus- und Stalltiere, die den Verkehr gefährden können, sind von der Straße fernzuhalten. Sie sind dort nur zugelassen, wenn sie von geeigneten Personen begleitet sind, die ausreichend auf sie einwirken können. Es ist verboten, Tiere von Kraftfahrzeugen aus zu führen. Von Fahrrädern aus dürfen nur Hunde geführt werden.
(2) Wer reitet, Pferde oder Vieh führt oder Vieh treibt, unterliegt sinngemäß den für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen. (...)
Rz. 793
Einzelfälle aus der Rechtsprechung: Der Halter muss im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht für Folgendes Sorge tragen.
1. Pferdehalter
Rz. 794
Haltern von Pferden obliegt (insbesondere im Straßenverkehr)
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auch bei einem ruhigen Pferd stets mit unberechenbarem Verhalten zu rechnen, bei einem unruhigen Pferd erst recht, |
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zu vermeiden, dass Pferde auf öffentlicher Straße frei herumlaufen, |
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ein bei Begegnungsverkehr zum Scheuen neigendes Pferd nicht als Zugpferd zu verwenden, |
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beim Führen nicht verkehrsgewöhnter Pferde auf belebter Straße besondere Vorsicht anzuwenden, |
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Stallungen, Boxen und Weiden gegen Ausbrüche zu sichern, |
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schwierige Pferde nicht unerfahrenen Reitern zu überlassen, |
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beim Führen eines Pferdefuhrwerks die ständige Möglichkeit zu gewährleisten, einem Durchgehen der Pferde zu begegnen, |
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einen Pferdestall auch gegen unbefugtes Öffnen durch Dritte zu sichern, |
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das Betreten einer Weide mit nicht nur friedfertigen Pferden durch Menschen zu verhindern; das Schild "Betreten auf eigene Gefahr" genügt nicht. |