Rz. 17
Das Ehepaar M und F, das zusammenlebt, hat ein gemeinsames Kind vjK. VjK ist 19 Jahre alt und studiert. VjK hat eine eigene Wohnung. Das Kindergeld wird nicht an einen Elternteil, sondern an vjK ausgezahlt. Das bereinigte Nettoeinkommen des M beträgt monatlich 2.200 EUR, das der F 450 EUR. F kann kein höheres Einkommen erzielen. VjK verlangt von seinen Eltern Unterhalt.
I. Anspruchsgrundlage
Rz. 18
Zur Anspruchsgrundlage vgl. Fall 13 (siehe § 2 Rdn 1 ff.).
II. Bedarf
Rz. 19
Der Bedarf von vjK bestimmt sich nicht nach den Tabellenbeträgen der Düsseldorfer Tabelle (DT), weil vjK einen eigenen Hausstand hat.
Rz. 20
Der Unterhaltsbedarf eines Studierenden, der nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, beträgt 860 EUR (vgl. Fall 13, siehe § 2 Rdn 1 ff.). Das an vjK ausgezahlte Kindergeld ist voll auf den Bedarf anzurechnen. Es verbleibt also ein (Rest-) Bedarf des vjK von 641 EUR (860 – 219 EUR).
III. Anteilige Haftung der F
Rz. 21
F hat lediglich ein Einkommen von 450 EUR und ist somit also nicht leistungsfähig, zumal sie – nach Fallangabe – auch nicht mehr verdienen kann.
Zwar hat F auch einen Unterhaltsanspruch gegen M, der an sich Einkommen ist. Nachdem es sich bei vjK jedoch um ein gemeinsames Kind handelt, kann dieser Anspruch hier vernachlässigt werden.
In Fällen der quotalen Haftungsverteilung zwischen den Eltern kommt es bei einem parallelen Anspruch auf Ehegattenunterhalt zu einer Wechselwirkung zwischen der Höhe des Ehegattenunterhalts und der Höhe der Haftungsquoten beim Volljährigenunterhalt.
BGH, Urt. v. 12.1.2011 – XII ZR 83/09
Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist es, dass der Ehegattenunterhalt bei der Ermittlung des für die Quotierung heranzuziehenden Einkommens außer Acht bleibt. Zwar ist der Ehegattenunterhalt grundsätzlich berücksichtigungsfähiges Einkommen, das die Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt erhöht (vgl. auch Gutdeutsch, NJW 2009, 945), was insbesondere deutlich wird, wenn der Unterhaltsberechtigte gegenüber einem nicht gemeinschaftlichen Kind unterhaltspflichtig ist. Handelt es sich hingegen um ein gemeinschaftliches Kind, so sind die Ansprüche auf Ehegatten- und Kindesunterhalt der Höhe nach wechselseitig voneinander abhängig (kritisch dazu Gutdeutsch, FamRZ 2009, 1022 m.w.N.). Der Senat hat es für diese Fallgestaltung indessen gebilligt, wenn der Ehegattenunterhalt entsprechend der einvernehmlich geübten Praxis der Ehegatten so berechnet wird, dass nur der Ehegatte mit dem höheren Einkommen den Kindesunterhalt zahlt und sich der Ehegattenunterhalt dadurch entsprechend verringert (Urt. v. 27.5.2009 – XII ZR 78/08, FamRZ 2009, 1300 Rn 44).
Auch in einer nachfolgenden Entscheidung hat es der BGH gebilligt, wenn die Parteien die komplizierte Wechselwirkung zwischen Ehegattenunterhalt und Höhe der Haftungsquoten beim Volljährigenunterhalt vermeiden.
BGH, Urt. v. 16.2.2011 – XII ZR 108/09
Der Senat hat es gebilligt, wenn der Ehegattenunterhalt entsprechend der einvernehmlich geübten Praxis der Ehegatten so berechnet wird, dass nur der Ehegatte mit dem höheren Einkommen den Kindesunterhalt (für das volljährige Kind) zahlt und sich der Ehegattenunterhalt dadurch entsprechend verringert (Urteile vom 27.5.2009 – XII ZR 78/08, FamRZ 2009, 1300 Rn 44 und vom 12.1.2011 – XII ZR 83/08).
IV. Leistungsfähigkeit des M
Rz. 22
Müsste M somit allein den Bedarf von vjK (641 EUR) decken, blieben ihm 1.559 EUR (2.200 – 641 EUR).
Dies wäre zwar auf den ersten Blick mehr als der angemessene Selbstbehalt von 1.400 EUR, der ihm gegenüber vjK zusteht. Jedoch ist, wie bereits ausgeführt, auch F gegenüber M unterhaltsberechtigt. Und F ist im Rang gem. § 1609 Nr. 2 oder 3 BGB berechtigt, also gegenüber vjK vorrangig.
Rz. 23
Der Vorrang von F ergibt sich wie folgt:
▪ |
VjK ist nicht minderjährig. |
▪ |
VjK, der einen eigenen Haushalt hat, ist auch nicht privilegiert i.S.d. § 1603 Abs. 2 S. 2. |
§ 1603 Leistungsfähigkeit
…
(2) (…) Den minderjährigen unverheirateten Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. (…)
Rz. 24
Da vjK weder minderjährig noch privilegiert i.S.d. § 1603 ist, ist F also vorrangig. VjK ist der Nr. 4 des § 1609 zuzuordnen.
§ 1609 Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter
Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:
1. |
minderjährige unverheiratete Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 S. 2, |
2. |
Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 S. 2 und 3 zu berücksichtigen, |
3. |
Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen, |
4. |
Kinder, die nicht unter Nummer 1 fallen, |
5. |
Enkelkinder und weitere Abkömmlinge, |
6. |
Eltern, |
7. |
weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unte... |