Rz. 42
Die Verbindungslinie von der Idee des geistigen Eigentums zur Theorie vom Immaterialgüterrecht wurde zuerst von Kohler gezogen. Nach dieser Lehre ist zwischen den Werkstücken, die als Sachgüter Gegenstand des Eigentums sind, und dem Werk, das als unkörperliches Gut Gegenstand des Urheberrechts ist, zu unterscheiden. Dieses Recht am geistigen Schaffen ist als persönliche Schöpfung einer natürlichen Person Objekt des Urheberschutzes. Nach § 2 Abs. 2 UrhG muss es sich dabei um persönliche geistige Schöpfungen handeln. Das sind solche Kreationen, die sich als Ergebnisse geistigen Schaffens von der Masse alltäglicher Sprachgebilde, gewöhnlicher Bauten oder industrieller Erzeugnisse abheben. Dabei ist die Individualität auch für den Schutzumfang maßgebend:
Zitat
"Urheberrechtsverletzung ist nicht nur die Verwertung des Werkes in seiner ursprünglichen Gestalt, beispielsweise der wörtliche Nachdruck des Schriftwerkes, sondern auch die Verwertung in Form von Übersetzungen, sonstigen Bearbeitungen und abhängigen Nachschöpfungen; Voraussetzung ist, dass das Werk in individuellen Zügen übernommen wird."
Rz. 43
Hinsichtlich des Schutzumfangs wird zwischen Form und Inhalt in der Weise unterschieden, dass die Individualität des Werkes sich auf die Formgebung beziehe, wohingegen die dahinter stehenden Gedanken, Lehren und Theorien Gegenstände freier geistiger Auseinandersetzung seien. Kohler hat diese Überlegungen noch verfeinert, indem er zur Form nicht nur das äußere Gewand der Werke, sondern die "innere Form" zählte, die auch dann gewahrt bliebe, wenn die Werke bearbeitet, beispielsweise das Sprachwerk übersetzt oder das Musikwerk für andere Instrumente arrangiert würden.
Rz. 44
Überzeugend legt Ulmer dar, dass diese Merkmale etwa bei Musik, Lyrik und bei abstrakter bildender Kunst kaum voneinander getrennt werden könnten. Ulmer schlägt vor, an die Stelle der Unterscheidung zwischen Form und Inhalt die Unterscheidung zwischen den individuellen Zügen des Werkes und dem in ihm enthaltenen Gemeingut zu stellen.
Rz. 45
Nach Loewenheim/Leistner machen vier Elemente den Werkbegriff aus:
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Es muss sich um eine persönliche Schöpfung handeln, also um ein Produkt gestalterischen Tätigwerdens. |
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Diesem muss ein geistiger Gehalt (etwas über das sinnlich wahrnehmbare Substrat hinausgehende) und |
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eine der Wahrnehmung durch die menschlichen Sinne zugängliche Formgebung zugrunde liegen. |
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Schließlich ist noch das Kriterium der Individualität, das die Gestaltungshöhe als quantitatives Kriterium mitumschließt, zu erfüllen. Letzteres erfordert lediglich ein Minimum geistig-schöpferischer Leistung (so genannte kleine Münze). |