In der Öffentlichkeit fand die Entscheidung des BGH zu den "Mauerbildern" besondere Beachtung. Da dort das Verhältnis zwischen Urheber- und Eigentumsrecht in prägnanter Weise dargestellt wurde, erfolgt eine nähere Darstellung und Untersuchung. Kläger des Verfahrens waren bildende Künstler, die in der Zeit von 1985 bis 1988 Teile der Berliner Mauer im Bereich der Waldemaer Straße großflächig bemalten. Ende des Jahres 1989 wurde die Berliner Mauer abgebaut, die von den Klägern bemalten Betonflächen von der Beklagten in Segmente getrennt und durch Versteigerung angeboten. Es heißt in dem Urteil weiter wörtlich:
Zitat
Die Kläger können sich auf das urheberrechtliche Verbreitungsrecht unbeschadet des Umstandes berufen, dass sie ihre Bilder auf fremdes Eigentum, nämlich auf die damals im Eigentum der ehemaligen DDR befindliche Berliner Mauer, gemalt haben. Denn Urheberrecht und Eigentum am Werkoriginal sind unabhängig voneinander und stehen selbstständig nebeneinander; das Eigentumsrecht darf an Gegenständen, die ein urheberrechtlich geschütztes Werk verkörpern, nur unbeschadet des Urheberrechts ausgeübt werden (§ 903 BGB). Die Sachherrschaft des Eigentümers findet daher in der Regel dort ihre Grenze, wo sie Urheberrechte verletzt … Dem Eigentümer des Werkoriginals sind dabei grundsätzlich sowohl Eingriffe in das Urheberpersönlichkeitsrecht als auch die urheberrechtlichen Verwertungshandlungen nach §§ 15 ff. UrhG untersagt …
Dieser Grundsatz erlaubt jedoch eine Einschränkung, wenn – wie hier – bei der Herstellung des Werkes eine mit zivil- und strafrechtlichen Sanktionen bewehrte Eigentumsverletzung begangen wird. In derartigen Fällen einer rechtswidrig aufgedrängten Kunst findet die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) in der Regel ihre Grenze an der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Dem Eigentümer ist es grundsätzlich unzumutbar, eine solche Eigentumsverletzung hinzunehmen. Ihm können die gesetzlichen Abwehrrechte nicht versagt werden. Selbstverständlich muss es ihm auch unbenommen bleiben, ein ihm gegen seinen Willen aufgedrängtes – urheberrechtlich geschütztes – Kunstwerk zu zerstören. Ob die gebotene Interessenabwägung im Einzelfall ausnahmsweise ein anderes Ergebnis rechtfertigen kann …, kann hier auf sich beruhen, da vorliegend zwar eine Segmentierung, aber keine völlige Vernichtung der Mauerbilder stattgefunden hat. Auch wenn dem Eigentümer grundsätzlich ein Recht zur Werkvernichtung zuzubilligen ist, so besagt dies noch nicht, dass ihm auch generell gestattet ist, das Werk wirtschaftlich zu verwerten. Denn die eingetretene Eigentumsstörung rechtfertigt an sich nur deren Beseitigung, nicht aber deren selbstständige wirtschaftliche Nutzung. Selbst dem Eigentümer, der das Werkoriginal im Wege der Veräußerung erwirbt, stehen im Zweifel keine urheberrechtlichen Nutzungsrechte zu. Nichts anderes würde für den Eigentümer gelten, der eine Wandbemalung als Auftragsarbeit vergibt. Denn nach dem das Urheberrecht beherrschenden Zweckübertragungsgedanken, der im § 31 Abs. 5 UrhG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, räumt der Urheber im Zweifel nicht mehr Rechte ein, als zur Erreichung des Vertragszwecks erforderlich ist …
Vorstehende Erwägungen schließen allerdings nicht aus, dass der Eigentümer einen Gegenstand weiterveräußern kann, der auch ohne das mit ihm untrennbar verbundene "aufgedrängte" Kunstwerk als selbstständiges Wirtschaftsgut verwertbar ist; z.B. mit Graffiti-Kunst besprühte unbewegliche oder bewegliche Sachen, wie ein Haus oder Pkw. Andernfalls würde der Eigentümer in unerträglicher Weise in seiner im Kern durch Art. 1 und 2 GG geschützten Privatautonomie beschränkt, mit der Sache nach Belieben zu verfahren (§ 903 BGB). Das Urheberrecht hat bei einer solchen Sachlage in der Regel zurückzutreten. So liegt der Fall hier nicht. Die Berliner Mauer als solche war schon aufgrund ihrer Zweckbestimmung zu keiner Zeit ein verkehrsfähiges Wirtschaftsgut in dem genannten Sinne. Erst durch die Trennung in einzelne Segmente sind diese zu wirtschaftlich selbstständig verwertbaren Objekten des Kunsthandels geworden. In einem solchen Falle kann es dem Urheber nicht ohne weiteres versagt werden, sich auf den von der Rechtsprechung als tragenden Leitgedanken des Urheberrechts anerkannten Beteiligungsgrundsatz zu berufen. Dieser beruht auf der ...