Rz. 483
Die Neuregelung des § 97a UrhG ist gegenüber der vorausgegangen Fassung von 2008 (Umsetzung der Enforcement-Richtlinie) im Umfang erheblich gewachsen und regelt als das neue "Herzstück" die Voraussetzungen einer Abmahnung (Abs. 2) sowie die Deckelung des Aufwendungsersatzes auf einen Streitwert von 1.000 EUR bei Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen (Abs. 3).
Rz. 484
Grundsätzlich ist eine Abmahnung (oder Verwarnung) vor Erhebung der Unterlassungsklage oder der Beantragung einer einstweiligen Verfügung im Eilverfahren Voraussetzung dafür, dass im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren dem unterliegenden Beklagten bzw. Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt werden können (§ 93 ZPO). Bei besonderer Eilbedürftigkeit ist die Abmahnung entbehrlich. Unzumutbar ist die Abmahnung bei einer Sequestration zur Sicherung des Anspruchs auf Vernichtung rechtsverletzender Ware, wenn sie die Durchsetzung des Anspruchs vereiteln würde. Bei unberechtigter Abmahnung, wenn also die Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit nicht vorliegen, hat der Abgemahnte Anspruch auf Unterlassung für die Zukunft, bei Verschulden des Abmahnenden auch auf Schadensersatz. Die Wiederholungsgefahr wird erst dann beseitigt, wenn der Abgemahnte als Verletzer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, die in der Regel als Anhang der Abmahnung beigefügt wird, unterzeichnet und fristgemäß dem Anspruchsberechtigten vorlegt. Jedenfalls reicht die bloße Einstellung der Rechtsverletzung, die ungesicherte Unterlassungsverpflichtung, das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis des rechtsverletzenden Unternehmens nicht aus. Umgekehrt entfällt die Wiederholungsgefahr, wenn der Berechtigte die ausreichende Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht annimmt. (Siehe auch § 5 Rdn 4 Muster: Klageanträge zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen.)
Rz. 485
Zur Verhinderung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung werden regelmäßig Schutzschriften hinterlegt. Dazu hat sich inzwischen die elektronische Hinterlegung beim "Zentralen Schutzregister" unter der Webadresse www.schutzschriftenregister.de durchgesetzt, da eine beachtliche Anzahl an Gerichten (nunmehr auch das LG Frankfurt/Main) hierauf zurückgreift.
Rz. 486
Sowohl vorgerichtlich als auch nach Klageeinreichung kommt den Aufbrauchfristen Bedeutung zu. Diese werden vertraglich vereinbart und in der Regel durch ein Vertragsstrafeversprechen abgesichert. Deren Wirkung besteht darin, dass ein gerichtlicher oder außergerichtlicher Unterlassungsanspruch während der Frist nicht durchsetzbar ist.
Rz. 487
§ 97a Abs. 1 UrhG war ursprünglich dem § 12 Abs. 1 UWG nachgebildet (maßgeblich sind aber nicht die Abs. 2–5), auf dessen umfassende Literatur und Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann.
Beispiele
Der Anspruchsteller lässt durch seinen Rechtsanwalt in einem "Abmahnschreiben" vortragen, dass er das Verhalten des Anspruchsgegners nicht billigt, ohne konkrete Rechtsfolgen zum Ausdruck zu bringen. Zwar müssen gerichtliche Schritte nicht ausdrücklich angedroht werden. Gleichwohl kann dies im Einzelfall dazu führen, dass ein solches Schreiben lediglich als Berechtigungsanfrage angesehen wird.
Im Wettbewerbsrecht wurde schon vor Jahren der sog. "Hamburger Brauch" entwickelt, wonach der Anspruchsteller die Vertragsstrafe nach "billigem Ermessen" bestimmt und die Höhe dem angerufenen Gericht überlässt.
Umgekehrt hat sich folgende Klausel in Unterwerfungserklärungen immer mehr eingebürgert:
Der Anspruchsgegner unterwirft sich "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich", gewisse, genau bezeichnete Handlungen zu unterlassen. Damit macht dieser deutlich, dass er den Unterlassungsanspruch nicht anerkennt. Es ist (jedenfalls) im Wettbewerbsrecht anerkannt, dass mit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht notwendig ein Anerkenntnis des zugrunde liegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs verbunden sein muss. Sinn dieses Vorbehalts ist es, mit der Unterwerfungserklärung nicht zugleich die Belastung mit den Abmahnkosten anzuerkennen. Dann muss im Verfahren um die Abmahnkosten geklärt werden, ob die Abmahnung berechtigt war.
Rz. 488
Die Voraussetzungen einer wirksamen Abmahnung sind in § 97a Abs. 2 UrhG detailliert geregelt. Neu ist, dass die Aufforderung zur Abgabe einer Verpflichtungserklärung nicht mehr zwingend notwendig vorgeschrieben ist (Nr. 3 "wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist"). Gleichwohl wird dazu geraten, diese Aufforderung mit Fristsetzung abzugeben, da ansonsten die Gefahr besteht, dass dieses Schreiben – zumal, wenn keine Rechtsolgen angedroht werden, was inzwischen fast üblich geworden ist – lediglich als Berechtigungsanfrage angesehen wird. Allerdings kann diese Form der Information ratsam sein, wenn Unsicherheiten über die Person des Verletzten oder den Tathergang bestehen, denn der Abmahnende riskiert durchaus, dass er umgekehrt vom v...