Unterlassungserklärung per unterschriebener PDF-Datei
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer Grundsatzentscheidung klargestellt, dass eine Unterlassungsverpflichtungserklärung, die ein Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes abgibt, grundsätzlich formfrei ist. Übersendet der Kaufmann die Unterlassungsverpflichtungserklärung als unterschriebene PDF-Datei per E-Mail, bestehen in der Regel keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Erklärung und damit an der Beseitigung der Wiederholungsgefahr für die der Abmahnung zugrunde liegende Rechtsverletzung.
Unterlassungserklärung als PDF-Dateianhang per E-Mail
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Beklagte an die E-Mail-Adresse der Klägerin, die ein Gewerbe betreibt, unaufgefordert eine Werbe-E-Mail für medizinische Masken und kurz darauf eine weitere Werbe-E-Mail für Corona-Schnelltests versandt. Auf die Abmahnung der Klägerin übersandte der Beklagte per E-Mail als PDF-Datei eine unterzeichnete Erklärung, die inhaltlich weitgehend der geforderten Unterlassungsverpflichtungserklärung entsprach. Die Klägerin hatte jedoch eine schriftliche Unterlassungsverpflichtungserklärung verlangt.
Klägerin hält Unterlassungsverpflichtung per PDF-Datei für unzureichend
Die Klägerin hielt die von der Beklagten gewählte Form der Unterlassungsverpflichtung nicht für ausreichend und verlangte die Übersendung des schriftlichen Originals. Als dieses nicht fristgerecht einging, erhob sie Klage auf Unterlassung der unaufgeforderten E-Mail-Werbung. Kurz nach Klageerhebung ging ihr die geforderte schriftliche Unterlassungsverpflichtungserklärung zu. Daraufhin erklärte sie den Rechtsstreit einseitig für erledigt. Die Beklagte widersprach. Nach unterschiedlichen Instanzentscheidungen landete der Rechtsstreit schließlich beim BGH.
Voraussetzungen der Erledigung der Hauptsache
Der BGH hat klargestellt, dass eine Erledigung der Hauptsache eintritt, wenn die Klage bis zu dem geltend gemachten erledigenden Ereignis zulässig und begründet war und durch das erledigende Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (BGH, Urteil v. 7.3.2019, I ZR 184/179).
PDF-Datei mit Unterschrift zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr geeignet
Nach der Entscheidung des BGH war der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zunächst begründet, da die Gefahr der wiederholten Zusendung unerwünschter Werbe-E-Mails und damit die Gefahr eines unzulässigen Eingriffs in das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs der Klägerin bestand (BGH, Beschluss v. 20.5.2009, I ZR 218/07). Diese Wiederholungsgefahr sei durch die als PDF-Datei per E-Mail übersandte Unterlassungsverpflichtungserklärung insoweit ausgeräumt worden, als kein Anlass zu Zweifeln an der Ernsthaftigkeit dieser Erklärung bestanden habe.
Unterlassungsverpflichtung eines Kaufmanns grundsätzlich formfrei
Der BGH betonte in seiner Entscheidung, dass bei der Beurteilung solcher Erklärungen die Entwicklung der Technik und die damit einhergehenden Änderungen der Geschäftsgewohnheiten zu berücksichtigen seien. Die Übermittlung rechtsgeschäftlicher Erklärungen per E-Mail habe sich im Geschäfts- und Rechtsverkehr durchgesetzt. Gemäß §§ 343 Abs. 1, 53 HGB sei auch eine Unterlassungsverpflichtungserklärung eines Kaufmanns grundsätzlich formfrei.
Unterlassungsverpflichtung muss geeignete Grundlage für Rechtsdurchsetzung schaffen
Der Senat legte Wert auf die Feststellung, dass eine Unterlassungsverpflichtungserklärung so abgefasst sein müsse, dass eine etwaige spätere Durchsetzung der Rechte des Gläubigers in ähnlicher Weise wie bei einem titulierten Anspruch nicht zu unvorhersehbaren Schwierigkeiten führe. Die Übersendung einer unmissverständlich formulierten und unterschriebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung im PDF-Format per E-Mail genüge diesen Anforderungen regelmäßig.
Verbindliche Vertragsstrafenvereinbarung erforderlich
Dennoch kam der BGH im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass die Wiederholungsgefahr nicht nachhaltig beseitigt wurde, weil es an der erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine verbindliche strafbewehrte Unterlassungserklärung fehlte. Die Wiederholungsgefahr sei nur dann wirksam beseitigt, wenn eine das Verhalten steuernde Vertragsstrafenandrohung verbindlich geworden sei.
Geänderte BGH-Rechtsprechung seit Dezember 2022
In Abkehr von der früheren Rechtsprechung, die die Wiederholungsgefahr mit Zugang der strafbewehrten Unterlassungserklärung als endgültig beseitigt ansah (BGH, Urteil v. 31.5. 1990 I ZR 285/88), geht der I. Zivilsenat des BGH nunmehr davon aus, dass eine wirksame Vertragsstrafeverpflichtung zwar bereits mit Zugang der strafbewehrten Unterlassungserklärung entsteht, aber wieder beseitigt wird, wenn der Gläubiger die Annahme des Unterlassungsvertrages ablehnt (BGH, Urteil v. 1.12.2022, I ZR 144/21).
Unterlassungsvertrag setzt Angebot und Annahme voraus
Eine solche Ablehnung hatte die Klägerin nach der Bewertung des BGH mit ihrer Aufforderung nach Übersendung der Unterlassungsverpflichtung in Schriftform erklärt. Grundsätzlich könne der Unterlassungsvertrag zwar schon dann wirksam zustande kommen, wenn der Gläubiger in seiner Abmahnung eine konkrete Unterwerfungserklärung verlangt und der Schuldner dieses Angebot mit der Unterlassungsverpflichtungserklärung annimmt. Dies setze aber voraus, dass die Unterlassungsverpflichtungserklärung von der in der Abmahnung geforderte Unterwerfungserklärung nicht abweicht. Jede kleine Erweiterung oder Einschränkung führe dazu, dass die Unterlassungsverpflichtungserklärung ein neues Angebot enthalte, das wiederum vom Gläubiger angenommen werden müsse.
Kein wirksamer Unterlassungsvertrag zustande gekommen
Im konkreten Fall unterhielt die Unterlassungsverpflichtungserklärung neben weiteren kleineren Modifikationen nach der Bewertung des BGH eine solche Abweichung schon dadurch, dass sie von der seitens des Klägers geforderten Schriftform abwich und wegen Fehlens der Schriftform vom Kläger eine Annahme auch abgelehnt wurde. Damit sei ein wirksamer Unterlassungsvertrag mit Vertragsstrafenvereinbarung, die für den dauerhaften Wegfall der Wiederholungsgefahr Voraussetzung ist, nicht zustande gekommen.
BGH stellt Urteil des AG wieder her
Im Ergebnis stellte der BGH unter Zurückweisung der Berufung und Stattgabe der Revision daher das ursprüngliche Feststellungsurteil des AG wieder her, wonach der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist (durch Eingang der Unterlassungsverpflichtung nebst wirksamem Vertragsstrafeversprechen nach Rechtshängigkeit der Klage) und der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
(BGH, Urteil v. 12.1.2023, I ZR 49/22)
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