Rz. 49
Individualität und (die damit eingeschlossene) Gestaltungshöhe werden als weitere Merkmale besonders hervorgehoben. Die Anforderungen an diese Elemente zielen darauf ab, dass das Werk einen individuellen Charakter aufweisen soll, wobei allerdings nicht zwingend die Persönlichkeit des Schöpfers, wohl aber mehr als die Anwendung der Naturgesetze, zum Vorschein kommen muss. Die Anforderungen an die Gestaltungshöhe oder auch Schöpfungshöhe sind schon seit langem im Streit, wobei diese in der Praxis nicht sehr hoch angesetzt werden. Im Hinblick auf Computerprogramme genügt gem. § 69a Abs. 3 UrhG für die Annahme der Individualität, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers ist, wohingegen etwa qualitative oder ästhetische Kriterien nicht zur Bestimmung der Schutzfähigkeit heranzuziehen sind.
Rz. 50
Seit jeher spielt in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen den so genannten großen Rechten und den kleinen Rechten (große oder kleine Münze) eine wichtige Rolle. Bei Musikaufführungen wird danach unterschieden, ob das Musikwerk als integrierender Bestandteil der bühnenmäßigen Darstellung eines Sprachwerkes aufgeführt, gesendet oder auf Tonträger gebracht wird (großes Recht), ob es allein oder in Verbindung mit dem Vortrag eines Sprachwerkes oder als bloße Untermalung bzw. Begleitung der bühnenmäßigen Darstellung eines Sprachwerkes verwertet wird (kleines Recht). Die Unterscheidung hat vor allem auch deshalb Bedeutung, weil nur die "kleinen Rechte" (kleine Münze) von den Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden, wohingegen die "großen Rechte", also etwa die bühnenmäßige Aufführung, Verfilmung und Sendung, von Bühnenverlegern durch individuelle Entscheidungen vertrieben werden.
Rz. 51
Inhaltlich geht es bei der Unterscheidung zwischen großem und kleinem Recht um das Merkmal der Gestaltungshöhe. Mit den Anforderungen an den urheberrechtlichen Schutz der "kleinen Münze" hat sich Schwenzer befasst. Er arbeitet heraus, dass Schöpfungshöhe oder Schöpfungsgrad als Untermerkmal des Kriteriums Individualität, und zwar als quantitativer Aspekt, aufzufassen sei. Er stellt aber auch klar, dass es nicht um guten oder schlechten Geschmack oder einen besonderen künstlerischen Stellenwert gehen könne. Bei Musikwerken hat die Gestaltungshöhe Bedeutung für die sog. freie Benutzung nach § 24 UrhG a.F., nunmehr § 23 UrhG. Dabei untersagt § 23 Abs. 1 UrhG (§ 24 Abs. 2 UrhG a.F.) die Benutzung eines Werkes der Musik, durch welche eine Melodie erkennbar dem Werk entnommen und einem neuen Werk zugrunde gelegt wird. Um also gerade diese freie Benutzung zu unterbinden, werden erhöhte Anforderungen an den Werkbegriff der Musik in der Weise gestellt, dass es sich um eine Melodie handeln muss. Melodie ist eine in sich geschlossene Tonfolge, die dem Werk seine individuelle Prägung gibt, von daher von den Themen und Motiven abzugrenzen ist, da Letztere nicht die Funktion einer Melodie erfüllen müssen, also kleinere Einheiten sind. Nach Auffassung von Schwenzer kommt es hinsichtlich der kleinen Münze alleine auf die Individualität an. Die Gestaltungshöhe ist danach gerade keine Voraussetzung für den Schutz der kleinen musikalischen Münze, was sich historisch auch daraus ableitet, dass diese ursprünglich allein für den Bereich der angewandten Kunst entdeckt worden sei. Die Gestaltungshöhe diene also zur Abgrenzung gegenüber dem übrigen geschützten Bereich nach dem Geschmacksmustergesetz (inzwischen: Designgesetz).