Rz. 537
Zusammen mit den in Rdn 529 ff. näher beschriebenen strafrechtlichen Vorschriften wurde durch das so genannte Produktpirateriegesetz auch der die Grenzbeschlagnahme regelnde § 111b UrhG eingefügt. Schutzgegenstand dieser Vorschrift ist ein in der Bundesrepublik Deutschland bestehendes Schutzrecht, neben dem des Urheberrechts auch andere nach diesem Gesetz geschützte Rechtspositionen (verwandte Schutzrechte). Die Zollbehörde führt die Beschlagnahme dann durch, wenn der Schutzrechtinhaber einen entsprechenden Antrag gestellt hat und Sicherheit geleistet wurde. Der Beschlagnahme unterliegen die unrechtmäßig erstellten Vervielfältigungsstücke.
Rz. 538
Der bei der Oberfinanzdirektion Nürnberg, Zoll- und Verbrauchersteuerabteilung, Zentralstelle gewerblicher Rechtsschutz, Sophienstraße 6, 80333 München zu stellende Antrag gilt grundsätzlich für zwei Jahre, wobei eine Wiederholung möglich ist. Damit wird bezweckt, dem Schutzrechtinhaber und Antragsteller die Einleitung zivilrechtlicher Schritte zu ermöglichen, wobei die Beschlagnahme nicht länger als vier Wochen aufrechterhalten werden kann. In Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 3295/94, die inzwischen durch die VO 1383/2003 ersetzt ist, sind diese Bestimmungen entsprechend anzuwenden. Allerdings erfolgt schon nach dem Wortlaut des § 111b Abs. 1 S. 1 UrhG der Vorrang der VO. Auch hier ist die Zuständigkeit der Oberfinanzdirektionen zur Entgegennahme und Entscheidung über Tätigwerden bei Einfuhr, Ausfuhr und Überführung von Waren in den zollfreien Verkehr gegeben. Betroffen sind Waren, die aus Drittländern stammen und in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt, durch diese durchgeführt oder von hier aus in Drittländer ausgeführt werden sollen.
Rz. 539
Hinweis
Zwar geht die VO 1383/2003 der nationalen Reglung grundsätzlich vor. Dies gilt allerdings nicht für die Fälle des sogenannten Parallelimports. Darunter versteht man die Verletzung einer rechtswirksamen (dinglichen) Vertriebsbeschränkung auf ein Gebiet außerhalb der EU und EFTA, ohne dass Erschöpfung eingetreten ist. Eine solche Konstellation wird an nachfolgendem Fall erläutert.
Rz. 540
Ein deutsches Softwarehaus erteilt eine Herstellungs- und Vertriebslizenz für Computerprogramme, die im maßgeblichen Lizenzvertrag auf das Gebiet der USA beschränkt wird. Der Lizenznehmer bringt, wie vereinbart, auf der Außenhülle der Vervielfältigungsstücke dieser Software deutlich lesbar folgenden Hinweis an: "Only for the Use in the USA". Werden von diesem Lizenznehmer in den USA nunmehr Teile dieser Softwarekopien nach Deutschland eingeführt, so ist dieser Vorgang (Parallelimport) nicht von der VO, die sich alleine auf nachgeahmte Ware bezieht, erfasst. Da die vom Lizenznehmer nach Deutschland eingeführten Vervielfältigungsstücke legal hergestellt wurden, ist der auch die "illegale Verbreitung" erfassende § 111b Abs. 1 UrhG alleine einschlägig. Maßgeblich für das Vorliegen des letzteren Merkmals ist § 17 Abs. 1 UrhG, der das Anbieten und Inverkehrbringen von Vervielfältigungsstücken verbietet. Die Schranke der Erschöpfung nach § 17 Abs. 2 UrhG greift in diesem Falle nicht, weil das zuvor genannte Verbietungsrecht am Vertrieb nur dann erlischt, wenn bereits ein legaler Vertrieb (ausgenommen die Vermietung) dieser Vervielfältigungsstücke innerhalb der EU und der EFTA-Staaten erfolgte. Da eine Vertriebsgenehmigung lediglich für die USA erteilt wurde, kann der deutsche Rechtsinhaber (Softwarehaus) gegen diesen Parallelimport vorgehen. Dadurch, dass die maßgeblichen Vervielfältigungsstücke auch entsprechend gekennzeichnet sind, somit der Import offensichtlich rechtswidrig erfolgte, wird die zu beantragende Grenzbeschlagnahme auch Erfolg haben.