Rz. 1365
Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz übernahm die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage von Verträgen und damit auch von Vergleichen in § 313 BGB. In der gesetzgeberischen Begründung wird hervorgehoben, dass das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage einer detaillierten Regelung nicht – auch nicht in Form von Regelungsbeispielen – zugänglich sei, so dass lediglich die von der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien in allgemeiner Form im Gesetz niedergelegt sind und ihre weitere Konkretisierung der Rechtsprechung überlassen wird. Die gesetzliche Regelung geht also erklärtermaßen nicht über das zuvor bekannte und bereits seit langem durch die Rechtsprechung außerhalb des geschriebenen Rechts entwickelte Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage hinaus.
Rz. 1366
Der beiderseitige Irrtum der Vergleichsparteien über die Richtigkeit der Berechnungen eines gerichtlichen Sachverständigen führt weder zur Unwirksamkeit des Vergleiches nach § 779 BGB noch zur Anfechtbarkeit nach § 119 BGB.
Rz. 1367
§ 779 Abs. 1 BGB gilt auch für Prozessvergleiche.
a) Voraussetzungen
Rz. 1368
Nach § 313 Abs. 1 BGB kann die Anpassung eines Vergleiches verlangt werden, wenn folgende Merkmale kumulativ vorliegen:
▪ |
Umstände haben sich
▪ |
erst nach Vertragsschluss |
▪ |
schwerwiegend (entscheidend) |
verändert. Gleiches gilt, wenn sich wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, als falsch herausstellen (§ 313 Abs. 2 BGB). |
▪ |
Diese veränderten Umstände waren nicht Inhalt oder Grundlage des Vergleiches. |
▪ |
Die Parteien würden, wenn sie diese Änderung denn vorausgesehen hätten, den Vergleich nicht oder nicht so (d.h. also, mit einem anderen Inhalt) geschlossen haben. |
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Mindestens einem der Vertragspartner kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles (insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung) das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden. |
b) Rechtsfolge
Rz. 1369
Liegen die vorgenannten Voraussetzungen (Rdn 1368) vor, kann grundsätzlich nur eine Vertragsanpassung verlangt werden (§ 313 Abs. 1 BGB).
Rz. 1370
Die Anpassung des Vergleichs nach § 313 BGB stellt einen neuen Streitgegenstand dar, über den nicht – nach gerichtlichem Vergleich – im Rahmen der gerichtlichen Fortsetzung des alten Streitverhältnisses, sondern in einem neuen gesonderten Rechtsstreit zu entscheiden ist. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit jedenfalls dann im Ausgangsverfahren auszutragen, wenn der Vergleich nicht allein aus Gründen unwirksam ist, die erst nach seinem Abschluss entstanden sind. Einer neuen Klage, mit der das ursprüngliche Prozessziel bei unverändert gebliebenem Streitgegenstand weiterverfolgt werden soll, steht der Einwand anderwe...