Rz. 1438

Bei der Spätschadenbetrachtung ist stets auch die Möglichkeit einer Verjährung zu bedenken (auch § 5 Rdn 432 ff.).

 

Rz. 1439

In die Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB sind bei einem Feststellungsurteil die während des Laufs der Verjährung bezifferbaren Spätfolgeschäden eingeschlossen. Der Ersatzpflichtige kann auf Schadenersatz für Spätfolgen nur innerhalb dieser Frist von 30 Jahren in Anspruch genommen werden.[1515]

[1515] OLG Düsseldorf v. 23.6.1994 – 18 U 241/93 – JMBl NW 1995, 44 = MDR 1995, 160.

a) Schadenseinheit

 

Rz. 1440

 

Hinweis

Siehe auch § 5 Rdn 434.

 

Rz. 1441

Der gesamte aus einer unerlaubten Handlung entspringende Schaden stellt sich verjährungsrechtlich nicht als Summe einzelner selbstständiger, nicht zusammenhängender Schäden, sondern als Einheit dar, die alle Folgezustände umfasst, die im Zeitpunkt der Erlangung allgemeinen Wissens um den Schaden überhaupt nur als möglich vorauszusehen waren (Schadenseinheit).[1516] Der Schadenseintritt bei mehreren Schadensfolgen bestimmt sich für die Bestimmung der Verjährung anhand des Grundsatzes der Schadenseinheit.[1517]

 

Rz. 1442

Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Schadens im Allgemeinen und umfasst alle – auch künftigen – Beeinträchtigungen und Schadenfolgen, deren Eintritt im Zeitpunkt der allgemeinen Schadenkenntnis nur als möglich voraussehbar waren. Es genügt, wenn bei allgemeiner Kenntnis vom Schaden Spätfolgen als möglich voraussehbar waren.[1518] Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist der Eintritt der ersten Schadensfolge. Treten später weitere Folgen hinzu, beginnt die Verjährung nicht von neuem.[1519] Die volle Übersehbarkeit des Umfanges und der Höhe des Schadens ist, da der Schaden eine Einheit darstellt, für den Verjährungsbeginn nicht erforderlich. Bei späten Schadenfolgen, die durch eine abgeschlossene unerlaubte Handlung entstehen, beginnt die Verjährungsfrist auch für nachträglich auftretende Verschlimmerungen, die im Zeitpunkt der Kenntnis vom Schaden als möglich vorhersehbar waren, mit diesem Zeitpunkt.[1520] Der Grundsatz der Schadenseinheit beruht auf den Geboten der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit.[1521]

 

Rz. 1443

Tritt eine als möglich voraussehbare Spätfolge ein, wird für sie keine selbstständige Verjährungsfrist in Lauf gesetzt.[1522] Dem Geschädigten ist es zuzumuten, sich schon aufgrund der Kenntnis von der haftungsbegründenden (Erst-)Schädigung durch eine Feststellungsklage bezüglich aller weiteren Schadensfolgen gegen Verjährung zu sichern. Zur Hemmung der Verjährung, die mit dem früheren Schadenseintritt begonnen hat, ist die Erhebung einer Feststellungsklage erforderlich.[1523]

 

Rz. 1444

Nur für Spätfolgen, die auch für Fachkreise nicht voraussehbar waren, weil sie nach anscheinend leichten Verletzungen später unerwartet auftreten, läuft seit ihrem Bekanntwerden und der Kenntnis des Kausalzusammenhanges mit dem Schadenereignis eine besondere Verjährungsfrist (auch § 5 Rdn 441).[1524] Der Grund für diese Sonderstellung eines Geschädigten liegt darin, dass er nach dem sich ihm zunächst zeigenden Schadenbild keine naheliegende Veranlassung hatte, sich über etwaig später eintretende Schäden von einem Fachkundigen beraten zu lassen oder zur Abwehr der Verjährung eine Feststellungsklage zu erheben.[1525]

 

Rz. 1445

Das gilt auch, wenn der Verletzte einige Zeit nach dem Unfallereignis in einen weiteren Unfall verwickelt wird und deshalb die Möglichkeit besteht, dass die späteren Schäden vom zweiten Unfall herrühren können.[1526] Die Verjährung läuft dann aber nicht erst ab Jahresultimo des Jahres der Erkenntnis, sondern ab dem Tag der tatsächlichen Kenntnis oder aber des Kennenmüssens.

[1516] BGH v. 26.7.2018 – I ZR 274/16 – MDR 2018, 1174 = NJW-RR 2018, 1301 = openJur 2018, 120 = VersR 2019, 629 = WM 2018, 1591; BGH v. 22.2.2018 – VII ZR 253/16 – AnwBl 2019, 110 = BauR 2018, 985 = FamRZ 2018, 838 = MDR 2018, 594 = NJW 2018, 2056 = NZBau 2018, 347 = VersR 2018, 892 = WM 2018, 1282; BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 91/15 – BB 2017, 450 = DB 2017, 7 = MDR 2017, 395 = NJW 2017, 9 = VersR 2017, 693 = ZIP 2017, 21; BGH v. 5.4.2016 – VI ZR 283/15 – MDR 2016, 1265 = NJW-RR 2017, 37 = NZI 2016, 893 = openJur 2016, 7320 = VersR 2016, 1058; BGH v. 23.4.2015 – IX ZR 176/12 – DB 2015, 1282 = DStR 2015, 1887 = MDR 2015, 649 = NJW 2015, 2190 = VersR 2016, 131 = WM 2015, 2064; BGH v. 4.4.1991 – IX ZR 215/90 – BB 1991, 999 = BGHZ 114, 150, 153 = DB 1991, 1320 = MDR 1991, 726 = NJW 1991, 2828 = WM 1991, 1088 = ZIP 1991, 589; BGH v. 23.3.1987 – II ZR 190/86 – BGHZ 100, 228, 232 = DB 1987, 1478 = MDR 1987, 644 = NJW 1987, 1887 = NJW-RR 1987, 925 (nur Ls.) = WM 1987, 648 = ZIP 1987, 776; BGH v. 14.3.1968 – VII ZR 77/65 – BGHZ 50, 21, 23 f. = DB 1968, 848 = MDR 1968, 574 = NJW 1968, 1324 = WM 1968, 685.
[1517] BGH v. 22.2.2018 – VII ZR 253/16 – AnwBl 2019, 110 = BauR 2018, 985 = FamRZ 2018, 838 = MDR 2018, 594 = NJW 2018, 2056 = NZBau 2018, 347 = VersR 2018, 892 = WM 2018, 1282.
[1518] BGH v. 22.2.2018 – VII ZR 253/16 – AnwBl 2019, 110 = BauR 2018, 985 = FamRZ 2018, 83...

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