Rz. 1
Die Kapitalabfindung ansonsten zu verrentender Forderungen des Verletzten oder eines Ersatzgläubigers (z.B. Abtretungsgläubiger, Drittleistungsträger) erfolgt regelmäßig im Vergleichswege, häufig verbunden mit einem Abfindungsvertrag. Auch andere, nicht mit (pseudo-)mathematischer Exaktheit gefundene Schadenforderungen (z.B. Einmal-Aufwendungen) und ersatzrechtliche Probleme können im Wege gerichtlicher, vorwiegend aber außergerichtlicher Einigung erledigt werden: Die Grundsätze der Vertragsfreiheit bieten den Raum für entsprechende Lösungen; letztlich lassen sich alle ersatzrechtlichen, aber auch tatsächlichen Probleme und Fragen im Vergleichswege lösen. Ob der Vergleich gerichtlich oder außergerichtlich geschlossen wird, ist für den Geschädigten i.d.R. praktisch nicht bedeutsam, weil gegen den Haftpflichtversicherer üblicherweise keine Zwangsvollstreckung notwendig ist (siehe auch § 796a, § 794 Abs. 1 Nr. 1, § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO). Der Vergleich überführt das Ungewisse in das Gewisse – und schafft damit auch Sicherheit, vor allem Planungssicherheit, für die Beteiligten.
Rz. 2
Die folgenden Worte von Prof. Willi Geiger (Bundesverfassungsrichter a.D.) haben nach wie vor an Aussagekraft nichts verloren; im Gegenteil, sie gelten inhaltlich vielmehr sogar verstärkt fort:
Zitat
"In Anbetracht der Unmenge und der kaum noch durchschaubaren Kompliziertheit der Regelungen, die der Gesetzgeber, man ist versucht zu sagen, fabriziert hat und täglich fabriziert, wird der Bürger in seinen Erwartungen an das Gericht bescheidener werden müssen."
Es ist für die unmittelbar Beteiligten objektiv nicht mehr möglich, den Ausgang eines Rechtsstreits zu kalkulieren. Da wird nicht nur mit der Beweislast immer raffinierter umgegangen, da wird auch überall und in den überraschendsten Kombinationen abgewogen, da gibt es Ausnahmen von der Regel zuhauf, da wird dem einen zugemutet, was dem anderen unzumutbar ist.
Ich wage nach einem langen Berufsleben in der Justiz, wenn ich gefragt werde, den Ausgang eines Prozesses nur noch nach dem im ganzen System angelegten Grundsatz vorauszusagen: Nach der Regel müsste er so entschieden werden; aber nach einer der vielen unbestimmten Ausnahmen und Einschränkungen, die das Recht kennt, kann er auch anders entschieden werden. Das genaue Ergebnis ist schlechthin unberechenbar geworden.
Allenfalls kann man mit einiger Sicherheit sagen: Wenn du meinst, du bekommst alles, was dir nach deiner Überzeugung zusteht, irrst du dich.
Ein der Entlastung der Gerichte dienlicher Rat könnte bei dieser Lage der Dinge sein: Führe möglichst keinen Prozess; der außergerichtliche Vergleich oder das Knobeln erledigt den Streit allemal rascher, billiger und im Zweifel ebenso gerecht wie ein Urteil.
Das heißt in allem Ernst: Unter den in der Bundesrepublik Deutschland obwaltenden Verhältnissen von den Gerichten Gerechtigkeit zu fordern, ist illusionär.“
Rz. 3
Es gilt anzumerken, dass nicht jeder, der "sein Recht" und "all das, was ihm zusteht" bekommt, deswegen auch finanziell besser dasteht. Nicht alles, was im Rahmen außergerichtlicher Regulierung "zu Unrecht" doch "um des lieben Friedens willen" bezahlt wird, wäre – dann juristisch korrekt – auch gerichtlich durchsetzbar. Dies gilt nicht zuletzt für (juristisch nicht ersatzfähige) mittelbare Schäden von Angehörigen.
Rz. 4
Wie formulierte es schon Ambrose Bierce:
Zitat
Geschworene sind mehrere von einem Gericht benannte Personen, die den Rechtsanwälten helfen, das Recht nicht in Gerechtigkeit ausarten zu lassen.
oder
Zitat
Ein magerer Kompromiss ist besser als ein dicker Prozess.
George Herbert
oder
Zitat
Nicht nur edel ist es, bisweilen von seinem Recht abzustehen, sondern manchmal auch vorteilhaft.
Cicero