Bernhard Steuerer, Stefan Seitz
In der Praxis werden die meisten Kündigungsrechtsstreitigkeiten durch gerichtlichen Vergleich, in dem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung vereinbart wird, beendet. Für solche Prozessvergleiche gilt das bereits oben Ausgeführte ebenfalls. Wegen der erwünschten Vermeidung wirtschaftlichen Risikos und der schlechten Arbeitsmarktsituation ist dem Arbeitgeber zu raten, so schnell wie möglich, also möglichst noch im gerichtlichen Gütetermin, Vergleichsverhandlungen zu führen.
Es ist dringend zu empfehlen, persönliche Diffamierungen des Prozessgegners zu unterlassen, auch wenn es manchmal noch so schwer fällt. Ein Beleidigter wird nicht mehr verhandeln und meist nur noch auf persönliche Genugtuung aus sein. Damit zerstört man auch eine gute Verhandlungsposition, die u. U. mit einem entsprechenden Vergleichsvorschlag durch den Richter gestützt werden könnte.
Immer wieder kommt es vor, dass ein Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt und manchmal sogar noch einen Weiterbeschäftigungsantrag stellt, obwohl er an einer Weiterbeschäftigung überhaupt nicht interessiert ist. Hintergedanke einer solchen Taktik kann sein:
Eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes lässt sich für den Arbeitnehmer nur selten gerichtlich erzwingen, nämlich nur – abgesehen von § 113 Abs. 3 BetrVG, besonderen tarifvertraglichen Regelungen oder bei Bestehen eines Sozialplans –, wenn ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei unwirksamer Kündigung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht zugemutet werden kann, was selten der Fall sein wird (z. B. Schikane, schwere, haltlose Verdächtigungen und schwere Beleidigungen durch den Arbeitgeber). Wenn die Güteverhandlung scheitert und es zu einem späten Kammertermin kommt, in dem dann die Kündigung für unwirksam erklärt wird, muss der Arbeitgeber den vollen Bruttolohn für die zurückliegende Zeit nachbezahlen, ohne dass der Arbeitnehmer nacharbeiten muss, wenn Annahmeverzug vorliegt (§ 615 BGB). Der siegende Arbeitnehmer muss sich dann nur anrechnen lassen, was er in dieser Zeit anderweitig erworben oder (nachweisbar!) zu erwerben böswillig unterlassen oder wegen des Unterbleibens der Arbeit erspart (z. B. Benzinkosten) hat.
Annahmeverzug liegt aber nur vor, wenn der Arbeitnehmer leistungsfähig und leistungsbereit war und seine Arbeitskraft auch angeboten hat, wozu die Erhebung der Kündigungsschutzklage ausreicht. Da er andernfalls den Anspruch aus Annahmeverzug verlieren würde, wird sich der Arbeitnehmer meist davor hüten, mitzuteilen, dass er nicht mehr arbeiten will. Durch den Druck auf den Arbeitgeber, evtl. das Annahmeverzugsrisiko tragen zu müssen, wird er vielmehr darauf spekulieren, in Vergleichsverhandlungen zu einer höheren Abfindung zu gelangen.
Diesem kann der Arbeitgeber entgegenwirken, indem er dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits (u. U. bis zur Verkündung des Urteils erster Instanz) anbietet oder, wenn seine Chancen, den Prozess zu gewinnen schlecht sind, den Klagantrag anerkennt. Mit Letzterem hat er zwar mit geringen Kosten den Prozess verloren, kann aber jederzeit wieder (und diesmal vielleicht ohne formalen Fehler) kündigen. Zudem kann der Arbeitnehmer aufgefordert werden, sogleich seine Arbeit wieder aufzunehmen – für jemand, der eine Abfindung erhoffte, ein schwerer Schlag. Dies kann dazu führen, dass die Vergleichsverhandlungen fortgeführt werden und eine Abfindungszahlung u. U. wesentlich geringer ausfällt.
Macht man selbst keinen Vergleichsvorschlag, gehört es zur Aufgabe des Richters, unter Berücksichtigung des bisherigen Vortrags und der Beweislage einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Das Gericht wird sowohl im Gütetermin (vgl. § 54 ArbGG) als auch im Kammertermin (vgl. § 57 ArbGG) auf eine gütliche Einigung hinwirken, wie es das Gesetz vorschreibt (§ 57 Abs. 2 ArbGG), wenn eine gütliche Einigung nicht als von vornherein aussichtslos erscheint. Der gerichtliche Vergleichsvorschlag kann jedoch im Kammertermin ein völlig anderer sein, weil u. U. dann der Sachverhalt wesentlich klarer (aber auch unklarer) ist oder neue wirtschaftliche oder persönliche Entwicklungen bei den Parteien berücksichtigt werden.
Ein Vergleichsabschluss erst in zweiter Instanz nach Obsiegen des Arbeitnehmers in erster Instanz (meist mit höherem Abfindungsbetrag) kann u. U. deshalb zusätzlich problematisch werden, weil die Arbeitsverwaltung hierin eine zu ihren Lasten rückwirkend vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses erblicken könnte.
Dies wird in erster Instanz grundsätzlich nicht möglich sein, weil es dort noch an einem gerichtlichen Urteil fehlt. Wird ein gerichtlicher Vergleich geschlossen, besteht keine Gefahr einer späteren Anfechtung, es sei denn, eine Prozesspartei hat arglistig unwahre Angaben vor Gericht gemacht und dadurch die andere Partei zum Abschluss oder zur Vereinbarung des konkreten Inhalts des Vergleichs verleitet (§ 123 BGB: arglistige Täuschung; i. Ü. auch § 263 StGB: Pr...