Rz. 1338
§ 119 BGB – Anfechtbarkeit wegen Irrtums
(1) |
Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. |
(2) |
Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden. |
§ 121 BGB – Anfechtungsfrist
(1) |
1Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. 2Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist. |
(2) |
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind. |
§ 123 BGB – Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung
(1) |
Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. |
(2) |
1Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. 2Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste. |
§ 313 BGB – Störung der Geschäftsgrundlage
(1) |
Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. |
(2) |
Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. |
(3) |
1Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. 2An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung. |
§ 779 BGB – Begriff des Vergleichs, Irrtum über die Vergleichsgrundlage
(1) |
Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. |
(2) |
Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist. |
Rz. 1339
Ein Vergleich kann wegen Irrtums (§ 119 BGB) bzw. arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) angefochten oder nach den Grundsätzen des Wegfalles der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), u.U. auch nach den Regeln der ergänzenden Vertragsauslegung, angepasst und/oder abgeändert werden (zumeist in Folge einer Gesetzesänderung [Rdn 1403 f.] wie beispielsweise der Gesundheitsreform oder der Einführung der Pflegeversicherung).
Rz. 1340
Nur ausnahmsweise kommt Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) in Betracht. Siehe (Rdn 1358).
Rz. 1341
Eine zur Anfechtung berechtigende Täuschung liegt nur vor, wenn über Tatsachen ein Irrtum erzeugt wird. Dies ist nicht anzunehmen, wenn der Versicherer nur seinen Rechtsstandpunkt zu der begehrten Entschädigung dargelegt hat.
Rz. 1342
Ist eine Vertragspartei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschäftsunfähig, ist der Abfindungsvergleich nichtig (§§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 2 BGB; siehe Rdn 678 ff.). Reine Willensschwäche (§ 138 Abs. 2 BGB) ist der Geschäftsunfähigkeit nicht gleichzusetzen.
Rz. 1343
Zu den Anforderungen des § 104 Nr. 2 BGB führt das OLG Düsseldorf aus:
Zitat
"Ein weiterer Anspruch auf Schmerzensgeld steht dem Kläger gegen die Beklagten nicht zu, weil zwischen ihm und der Beklagten zu 2) im Jahr 2009 eine wirksame Vergleichsvereinbarung geschlossen worden ist. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er bei Abschluss dieser Vereinbarung i.S.d. § 104 Nr. 2 BGB in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat."
Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung gemäß § 104 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handel...