Rz. 84

Der Vorerbe hat grundsätzlich nur das Recht, die zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte zu gebrauchen und die Nutzungen zu ziehen. Die Substanz darf der Vorerbe jedoch grundsätzlich nicht beeinträchtigen, da die Vorerbschaft beim Eintritt des Nacherbfalls ungeschmälert auf die Nacherben übergehen soll. Die wichtigsten Schutzvorschriften stellen dabei § 2113 Abs. 1 und Abs. 2 BGB dar.

 

Rz. 85

Nach § 2113 Abs. 1 BGB ist eine Verfügung des Vorerben über ein zur Vorerbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück insoweit unwirksam, als diese Verfügung das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Dabei stellt jede Übertragung, Aufhebung, Inhaltsänderung, Belastung oder Aufgabe des Grundstücksrechts eine Verfügung des Vorerben dar.[129] Jegliche Übertragung des Eigentums durch den Vorerben, wodurch z.B. eine Immobilie aus dem Nachlass ausscheidet, wäre somit eine unzulässige Verfügung. Hierdurch wird der Erhalt der Substanz für den Nacherben gesichert. Die Verfügung muss auch zu einer Beeinträchtigung des Nacherben führen. Dabei ist eine rechtliche und nicht eine wirtschaftliche Betrachtung der Verfügung vorzunehmen.[130] Auf eine eventuelle Gegenleistung kommt es somit nicht an. Selbst der Verkauf der Immobilie zum Verkehrswert oder sogar darüber würde eine Beeinträchtigung des Nacherben darstellen. Es kommt einzig und allein auf den Erhalt der Substanz des Nachlasses an.

 

Rz. 86

Rechtsfolge einer solchen beeinträchtigenden Verfügung ist deren Unwirksamkeit. Diese tritt jedoch erst mit dem Eintritt des Nacherbfalls ein.[131] Für die Dauer der Vorerbschaft ist die Verfügung dinglich wirksam. Fällt die Nacherbfolge weg, tritt auch keine Unwirksamkeit der Verfügung ein. Der Wegfall könnte sich beispielsweise dadurch ergeben, dass der Nacherbe die Nacherbschaft ausschlägt, eine aufschiebende Bedingung eintritt oder der Nacherbe verstirbt, ohne dass das Nacherbrecht vererbt wird.[132] In diesem Fall wird der Vorerbe zum Vollerben, § 2142 BGB.

 

Rz. 87

Tritt die Nacherbschaft und damit die Unwirksamkeit der Verfügung ein, wirkt diese absolut.[133] Der Nacherbe kann von jedem Erwerber die Herausgabe verlangen. Das Grundbuch ist unrichtig geworden und der Nacherbe hat einen Anspruch auf Berichtigung gegenüber dem eingetragenen Eigentümer. Auch ein gutgläubiger Erwerb vom Vorerben ist in der Regel ausgeschlossen. Im Grundbuch wird ein Vermerk eingetragen, woraus ersichtlich ist, dass das Grundstück zu einer Vorerbschaft gehört und der entsprechenden Bindung unterliegt, § 51 GBO. Somit kann sich ein Erwerber nicht darauf berufen, dass er die Verfügungsbeschränkung des Vorerben als Veräußerer nicht gekannt hat. Es kommt aber eine Veräußerung der Immobilie mit Zustimmung des Nacherben in Betracht. Durch die Zustimmung entfällt eine Beeinträchtigung des Nacherben.[134] Eine mit Zustimmung des Nacherben erfolgte Veräußerung ist somit direkt wirksam.[135]

 

Rz. 88

Damit stellt die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft eine Möglichkeit dar, eine dingliche Sicherung der erbrechtlichen Ansprüche des Nacherben zu erreichen. Gemäß § 2136 BGB kann der Vorerbe jedoch von der Beschränkung des § 2113 Abs. 1 BGB befreit werden. Kommt es dem Erblasser jedoch auf den insbesondere auch dinglichen Schutz des Nacherben an, sollte diese Befreiung selbstverständlich nicht erteilt werden.

[129] Palandt/Weidlich, § 2113 Rn 2.
[130] Palandt/Weidlich, § 2113 Rn 5.
[131] Damrau/Tanck/Bothe, § 2113 Rn 11.
[132] MüKo/Lieder, § 2113 Rn 17.
[133] Palandt/Weidlich, § 2113 Rn 8.
[134] Palandt/Weidlich, § 2113 Rn 6.

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