Rz. 129
Bei der sog. Vermächtnislösung wird der Behinderte enterbt und mit einem Vorvermächtnis mindestens in Höhe des Pflichtteils bedacht. Auch die Vermächtnislösung wird von der Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung flankiert. Bisher gibt es keine höchstrichterliche Entscheidung zur Zulässigkeit der sog. Vermächtnislösung. Die Sozialhilfeträger versuchen daher auch immer wieder diese Art der Gestaltung "anzugreifen".
Rz. 130
Die herrschende Meinung[170] hält die Vermächtnislösung grundsätzlich für wirksam. Umstritten ist nur die Frage, wie im Falle des Todes des Behinderten bei der Vermächtnislösung das Konkurrenzverhältnis zwischen der noch nicht erfüllten Verbindlichkeit gegenüber dem Nachvermächtnisnehmer (§ 2174 BGB) und der Ersatzpflicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger (§ 102 SGB XII) zu entscheiden ist. Der Erbe des Vorvermächtnisnehmers schulde beides – Ersatz der Sozialhilfekosten einerseits und Erfüllung des Nachvermächtnisses andererseits. Zusätzlich stelle sich das Problem, dass vor dinglicher Erfüllung der Gegenstand des Nachvermächtnisses zur Insolvenzmasse eines über den Nachlass des Vorvermächtnisnehmers eröffneten Nachlassinsolvenzverfahrens gehöre. Es dürfte daher wohl inzwischen davon auszugehen sein, dass die sog. Vermächtnislösung zumindest für die Zeit bis zum Tode des behinderten oder bedürftigen Angehörigen eine wirksame Gestaltungsalternative zur klassischen Erbschaftslösung ist.
Rz. 131
Mit einem Restrisiko belastet bleibt die Zeit nach dem Tode des behinderten oder bedürftigen Angehörigen. Hier vertritt ein Teil der Literatur die Auffassung, dass der Anspruch des Nachvermächtnisnehmers und der Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers gleichrangig seien. Beide Forderungen seien als Eigenschulden des Behinderten zu qualifizieren, so dass das vom Behinderten hinterlassene Vermögen quotal zwischen den beiden Gläubigern zu verteilen sei.[171] Richtig ist aber wohl, dass der Anspruch des Nachvermächtnisnehmers vom Nachlass abzuziehen ist und insoweit vorrangig vor dem Kostenersatzanspruch aus § 102 SGB XII ist. So wohl auch die h.M. in der Literatur.[172] Wenn der Behinderte beim Tod des Erblassers die ihm vermächtnisweise zufallenden Vermögenswerte erhält, sind diese bereits mit dem Anspruch aus dem Nachvermächtnis beschwert. Es handelt sich deshalb um eine Verbindlichkeit, welche nicht erst bei seinem eigenen Ableben entsteht, sondern bereits sein lebzeitiges Vermögen mindert.[173] Rechtsprechung zu dieser Thematik fehlt bisher.
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