Isabelle Losch, Gabriela Hack
Rz. 50
Gem. § 1814 Abs. 3 i.V.m. § 1816 Abs. 6 BGB (§ 1896 Abs. 2 i.V.m. § 1897 Abs. 3 BGB a.F.) ist es strittig, ob als Bevollmächtigte alle Personen ausscheiden, die zu einem Träger von Einrichtungen oder Diensten, die in der Versorgung des Volljährigen tätig sind, in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer engen Beziehung stehen. Eine Ausnahme kann nur der Fall sein, wenn im Einzelfall die konkrete Gefahr einer Interessenkollision nicht besteht.
Rz. 51
§ 1814 Abs. 3 BGB (§ 1896 Abs. 2 BGB a.F.) normiert den grundsätzlichen Vorrang der Bevollmächtigung vor der Betreuerbestellung auf die Fälle, in denen die in § 1816 Abs. 6 BGB (§ 1897 Abs. 3 BGB a.F.) genannten Personen nicht Bevollmächtigte werden. Anders als in § 1816 Abs. 6 BGB (§ 1897 Abs. 3 BGB a.F.), der ausdrücklich formuliert, dass die dort genannten Personen nicht zum Betreuer bestellt werden dürfen, wurde in § 1814 Abs. 3 BGB (§ 1896 Abs. 2 BGB a.F.) nicht formuliert, dass dieser Personenkreis nicht zum Bevollmächtigten ernannt werden dürfe. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der in § 1816 Abs. 6 BGB (§ 1897 Abs. 3 BGB a.F.) genannte Personenkreis absolut davon ausgeschlossen sei, zum Bevollmächtigten ernannt zu werden bzw. dass eine solche Vollmacht generell unwirksam sei.
Rz. 52
Ist eine Person aus dem in § 1816 Abs. 6 BGB (§ 1897 Abs. 3 BGB a.F.) genannten Personenkreis Bevollmächtigter des Volljährigen, muss das Betreuungsgericht nicht zwingend einen Betreuer bestellen, vielmehr kann es auch hier die Erforderlichkeit der Betreuerbestellung verneinen (Subsidiaritätsprizip). Ob von der Bestellung eines Betreuers abgesehen werden kann, ist im Zeitpunkt der Betreuungsbedürftigkeit individuell zu überprüfen. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Bevollmächtigung den Interessen des Vollmachtgebers nicht zuwiderläuft, wird eine Betreuerbestellung nicht erforderlich sein (§ 1816 Abs. 6 S. 2 BGB). Grundsätzlich kann daher auch eine in § 1816 Abs. 6 BGB (§ 1897 Abs. 3 BGB a.F.) genannte Person zum Bevollmächtigten ernannt werden; u.U. wird das Betreuungsgericht eine Kontrollbetreuung gemäß §§ 1815 Abs. 3, 1820 Abs. 3 BGB (§ 1896 Abs. 3 BGB a.F.) anordnen.
Rz. 53
Eine Vollmacht ist in der Regel nichtig, wenn sich die Heimleitung routinemäßig und in einem größeren Umfang als es mit den Interessen des Heims zu vereinbaren wäre, Vollmachten erteilen ließe und noch dazu die Aufnahme in das Heim von der Erteilung der Vollmacht abhängig machen und diesbezüglichen Druck ausüben würde. Als vorrangig Bevollmächtigte kommt dieser Personenkreis darüber hinaus auch nicht in Betracht (§ 1816 Abs. 6 S. 1 BGB). In einem solchen Fall besteht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Interessenskollision (§ 1816 Abs. 6 S. 2 BGB), da die Ausnahmeregelung eng auszulegen ist.
Gleiches muss für den Fall der Erteilung einer unwiderruflichen Vollmacht, insbesondere einer Generalvollmacht, gelten oder wenn jegliche Kontrollen ausgeschlossen sind.
Rz. 54
Kein Fall von § 1896 Abs. 2 i.V.m. § 1897 Abs. 3 BGB a.F. war die Bevollmächtigung des Leiters oder von Mitarbeitern eines den Betroffenen versorgenden ambulanten Pflegedienstes (auch beim "betreuten Wohnen"), da es hier an einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer Einrichtung, in der der Betroffene wohnt, fehlt. Mit der Reform wurden nun neben den Beschäftigten von Wohneinrichtungen auch Beschäftigte der ambulanten Diensten gem. § 1814 Abs. 3 i.V.m. § 1816 Abs. 6 BGB erfasst, da deren Kontrolle zur Aufgabe des Betreuten gehört. Eine Bestellung ist nach Eintritt in den Ruhestand möglich.