Rz. 1

Am 1.1.1992 trat das Betreuungsgesetz[1] in Kraft, welches insbesondere die für die kautelarjuristische Praxis bedeutende Vorschrift des § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. geschaffen hat. Fortan bestand die Möglichkeit, für den zukünftigen Fall eigener Geschäftsunfähigkeit oder auch bloßer Hilfsbedürftigkeit eine dritte Person auf rechtsgeschäftlicher Grundlage zur Wahrnehmung seiner eigenen Angelegenheiten zu bevollmächtigen. Mit Inkrafttreten der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts[2] am 1.1.2023, welche der Umsetzung der Vorgaben des Art. 12 der UN-Behindertenrechtskonvention dient und die betreuungsrechtlichen Vorschriften klarer regelt, wurde § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. durch § 1814 Abs. 3 Nr. 1 BGB abgelöst.

Dieses Vollmachtsinstitut wird als Vorsorgevollmacht bezeichnet. Durch eine solche Vollmacht wird das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen gestärkt, die Bestellung eines Betreuers, Verhinderungsbetreuers (§ 1817 Abs. 4 BGB) oder auch Kontrollbetreuers (§§ 1815 Abs. 3, 1820 Abs. 3 BGB) kann verhindert werden.

Das Betreuungsgesetz ermöglicht dem Betreuten somit die Erhaltung seiner Privatautonomie und gibt ihm ein Instrument zur Regelung seiner Wünsche vorrangig vor einem staatlichen Eingreifen durch eine Betreuerbestellung.

Leider wurde auch mit der Reform zum Vormundschafts- und Betreuungsrecht durch den Gesetzgeber von einer Legaldefinition des Begriffs der Vorsorgevollmacht abgesehen. Der Gesetzgeber führt dazu aus, dass es sich um eine Vollmacht gem. §§ 164 ff. BGB handelt, der in der Regel ein Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis zugrunde liegt. Diese solle die Vertretung des Vollmachtgebers im Falle der Aufhebung der rechtlichen Handlungsfähigkeit ermöglichen und somit die Bestellung eines Betreuers vermeiden; die Betreuung soll subsidiär sein. Zu dem Innenverhältnis gehört der Vollmachtzweck der Vorsorge.[3]

 

Rz. 2

Durch das am 1.1.1999 in Kraft getretene Erste Betreuungsrechtsänderungsgesetz wurde Rechtsklarheit und -sicherheit dahingehend geschaffen, dass eine Vorsorgevollmacht auch für den Bereich der persönlichen Angelegenheiten und Gesundheitsangelegenheiten rechtliche Wirkung entfaltet (vgl. nunmehr: §§ 1829, 1831 BGB).

Allerdings ist zu beachten, dass anstelle der autonomen Gestaltungsmöglichkeit in Gesundheitsfragen durch eine Vorsorgevollmacht Maßnahmen nach §§ 1904 und 1906 BGB a.F. (nunmehr: §§ 1829, 1831 BGB) der betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedürfen. Dies dürfte die Vorsorgevollmacht in Fällen unattraktiv machen, in denen sich der Vollmachtgeber zur Erteilung einer umfassenden Vollmacht gerade mit dem Ziel entschlossen hat, sich jeglicher Einmischung des Staates im Falle seiner späteren Betreuungsbedürftigkeit zu entziehen.[4]

 

Rz. 3

Das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz trat am 1.7.2005 in Kraft. Ziel war es, die Haushalte der Länder zu entlasten. Umgesetzt wurde dies durch das Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG).[5] Vergütet wird seitdem nicht mehr nach dem tatsächlich geleisteten Zeitaufwand bzw. den tatsächlich angefallenen Auslagen, sondern pauschaliert. Die Regelungen zur Vergütung finden sich nunmehr nach der Reform zum Vormundschafts- und Betreuungsrechts in den §§ 1875 bis 1881 BGB sowie dem VBVG in der neuen geltenden Fassung.

 

Rz. 4

Am 1.9.2009 trat das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts[6] in Kraft und hiermit wurde die gesetzliche Grundlage für die Patientenverfügung geschaffen. Anknüpfend an die aufgrund richterlicher Rechtsfortbildung geltende Rechtslage haben Patientenverfügungen seither eine hohe rechtliche Verbindlichkeit und müssen unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung beachtet werden. Das Betreuungsgericht soll nur im Konfliktfall zwischen Arzt einerseits und Betreuer bzw. Bevollmächtigtem andererseits eingeschaltet werden

Im Rahmen der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts wurden die Regelungen zur Patientenverfügung nicht abgeändert. Kodifiziert wurden diese Vorschriften zivilrechtlich in den §§ 1827, 1828 BGB (§§ 1901a, 1901b und 1904 BGB a.F.), wobei der Verweis in § 630d BGB bestehen bleibt.

 

Rz. 5

Parallel zum Dritten Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts trat am 1.9.2009 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) in Kraft und löste das Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG) ab. Fortan ist für Betreuungs- und Unterbringungsangelegenheiten das Betreuungsgericht zuständig.

 

Rz. 6

Am 26.2.2013 trat das Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme in Kraft. Dieses regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Person auch gegen ihren Willen ärztlich behandelt werden darf und normiert dies insbesondere in§ 1906 Abs. 3, 3a BGB a.F. Grundlage der Gesetzesänderung waren zwei Beschlüsse des BGH, nach denen es an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung gefehlt habe.[7]

 

Rz. 7

Zum 22.7.2017 ...

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