Dr. iur. Nikolas Hölscher
Rz. 38
Im Ergebnis überzeugt es, die Widerruflichkeit der erteilten Zustimmung zur gesellschaftsrechtlichen Vertretung durch einen Vorsorgebevollmächtigten vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig zu machen. Und zwar unabhängig davon, ob der Vorsorgefall bereits eingetreten ist oder nicht.
Rz. 39
Die Auffassung von Jocher, eine einmal erteilte Zustimmung zur gesellschaftsrechtlichen Vertretung sei grundsätzlich unwiderruflich, überzeugt nicht. Im Ausgangspunkt ist zu beachten, dass eine vorherige Zustimmung nach § 183 BGB bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts nach den gesetzlichen Bestimmungen widerruflich ist. Auch wenn durch die Erteilung einer Zustimmung ein Vertrauenstatbestand gesetzt wurde, muss jedenfalls in Fällen eines wichtigen Grundes ein Widerruf möglich bleiben. Die von Jocher angeführten Probleme einer Rückgabe der Vollmachtsurkunde an den Vollmachtgeber oder einer Kraftloserklärung im Falle des Widerrufs der Zustimmung zu einer gesellschaftsrechtlichen Vertretung, drohen nicht. Denn eine Rückgabe der Vollmachtsurkunde setzt nach § 175 BGB voraus, dass die Vollmacht erloschen ist. Eine Kraftloserklärung setzt nach § 176 BGB den Widerruf einer Vollmacht voraus. Der Widerruf einer Zustimmung zur gesellschaftsrechtlichen Vertretung durch Mitgesellschafter führt jedoch weder zum Erlöschen der erteilten Vorsorgevollmacht noch stellt sie einen Widerruf durch den Vollmachtgeber dar.
Rz. 40
Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Interessenlage beim Widerruf der Zustimmung zu einer gesellschaftsrechtlichen Vertretung derjenigen beim Vollmachtswiderruf gleicht. Genau aus diesem Grund werden auf den Widerruf einer erteilten Zustimmung nach allgemeiner Meinung auch die §§ 170–173 BGB analog angewendet. Eine einmal erteilte Zustimmung gilt mithin über die analoge Anwendung von § 172 BGB gegenüber einem Gutgläubigen i.S.d. § 173 BGB als fortbestehend, wenn ihm eine Urkunde über die Zustimmung vorgelegt wird. Dem gutgläubigen Empfänger der einmal mitgeteilten Zustimmung bleibt diese – über die analoge Anwendung von § 170 BGB – jedenfalls solange wirksam, bis der Widerruf auch ihm gegenüber erklärt wird. Mit diesen allgemeinen Grundsätzen ist die Problematik einer zunächst erteilten und später widerrufenen Zustimmung zur gesellschaftsrechtlichen Vertretung zu lösen, wenn man annimmt, die Zustimmung entfalte gegenüber Dritten hinsichtlich der Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht Außenwirkung (siehe zu dieser Frage Rdn 60). Die Mitgesellschafter sind demnach gehalten, den durch die einmal erteilte Zustimmung gegebenenfalls gesetzten Rechtsschein zu beseitigen. Das mag – wie Jocher ausführt – eine Rechtsunsicherheit begründen. Die mit einem Widerruf der Zustimmung einhergehenden Risiken sind die Mitgesellschafter mit ihrer ursprünglichen Zustimmung jedoch selbst eingegangen. Sie sind insoweit nicht schutzwürdig.
Rz. 41
Die Auffassung von Schäfer, ein Widerruf sei bis zum Eintritt des Vorsorgefalls bzgl. der mit dem Anteil verbundenen Geschäftsführungsrechte möglich, liegt eine Abwägungsentscheidung zugrunde. Auf der einen Seite sieht Schäfer dabei die Interessen des Gesellschafters, der die Vorsorgevollmacht für den Fall der eigenen Handlungsunfähigkeit erteilt hat. Auf der anderen Seite sieht er die Interessen der Mitgesellschafter, den Vertreter ihres Mitgesellschafters wieder "aus der Gesellschaft drängen zu können". Ein schutzwürdiges Interesse, warum die Mitgesellschafter – ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes – berechtigt sein sollen, einen Vertreter ihres Mitgesellschafters mit den Worten von Schäfer "aus der Gesellschaft zu drängen", ist meines Erachtens nicht ersichtlich. Insbesondere wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Mitgesellschafter zuvor eine unbedingte gesellschaftsvertragliche Zustimmung zur Vertretung erteilt haben, deren Widerruf die gerade zu vermeidende Betreuung heraufbeschwört und zudem Kosten auslöst. Zu denken ist an die Verfahrenskosten (§ 81 FamFG), den Anspruch des ehrenamtlichen Betreuers auf Aufwendungsersatz (§§ 1875, 1877 BGB; § 1835a BGB a.F.) und bei Berufsbetreuern der Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (§ 1876 BGB i.V.m. VBVG).
Rz. 42
Im Rahmen einer Gesamtabwägung überzeugt es, im Falle einer fehlenden Regelung davon auszugehen, dass ein Widerruf der Zustimmung nur aus wichtigem Grund möglich ist. Hierfür spricht zunächst die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Das schutzwürdige Interesse (welches durch eine originäre gesellschaftsvertragliche Zustimmung Mitgesellschaftern anerkannt wurde), eine Vertrauensperson für den Vorsorgefall auszuwählen, wiegt schwerer als das recht beliebig erscheinende Interesse der Mitgesellschafter, den ausgewählten Bevollmächtigten ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes "aus der Gesellschaft drängen zu können". Weiter spricht für dieses Ergebnis der Vertrauensschutz. Das von Wedemann bemühte Argument der funktionalen Äquivalenz zwischen Vollmacht und Betre...