Dieter Trimborn van Landenberg
Rz. 35
Erbengemeinschaften sind häufig Konfliktgemeinschaften, die auch in der Frage des Widerrufs einer Vollmacht zerstritten sein können. Dies gilt umso mehr, wenn ein Mitglied der Erbengemeinschaft Bevollmächtigter ist und sich erwartungsgemäß gegen die Absetzung wehrt.
Die nach wie vor überwiegend vertretene Auffassung seit dem Reichsgericht gibt jedem Miterben ein eigenes Widerrufsrecht mit der Folge, dass der Bevollmächtigte das Recht verliert, allein über Nachlassgegenstände zu verfügen.
Gegenüber den anderen Miterben bleibt die Vertretungsmacht bestehen, so dass der Bevollmächtigte nach Zugang des Widerrufs nur noch mit dem Einverständnis des widerrufenden Miterben handeln kann. Ob diese Rechtspraxis tatsächlich von der obergerichtlichen Rechtsprechung gedeckt ist oder ob es sich um ein über die Jahrzehnte gepflegtes kollektives Missverständnis handelt, wird in der Literatur zunehmend problematisiert.
Rz. 36
Mit guten Gründen lässt sich argumentieren, dass der Widerruf einer Vollmacht keine Verfügung gem. § 2040 BGB, sondern eine Verwaltungsmaßnahme gem. § 2038 BGB darstellt.
Der Charme dieser Lösung ist die Einladung zu einer differenzierten Betrachtung: Geht es um den Widerruf einer Vorsorgevollmacht, die als Generalvollmacht weitreichende Verfügungen erlaubt, besteht eine Missbrauchsgefahr, die den gesamten Nachlass betreffen kann. Hier kann man argumentieren, dass der Widerruf eine Notverwaltungsmaßnahme gem. § 2038 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BGB ist, so dass jeder Miterbe einzeln den Widerruf erklären kann und damit gleichzeitig die gesamte Vollmacht beseitigt.
Da die abstrakte Gefahr einer Schädigung der Erbengemeinschaft so groß ist, darf nach Meinung von Kurze jeder Miterbe präventiv auch ohne konkrete Missbrauchsgefahr den Widerruf erklären.
Rz. 37
Hat der Erblasser hingegen nur eine eingeschränkte Vollmacht erteilt, z.B. nur bezogen auf sein Girokonto, stellt sich die Frage anders. Hier wäre ggf. eine Mehrheitsentscheidung der Erbengemeinschaft herbeizuführen, wobei der bevollmächtigte Miterbe bei der Abstimmung ausgeschlossen ist.
Rz. 38
Schließlich kann man die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Widerrufsrecht um einen Nachlassgegenstand handelt, über den die Erbengemeinschaft gem. § 2040 Abs. 1 BGB nur gemeinschaftlich verfügen darf. Unter Berufung auf die allgemeine Definition, wonach Sachen und Rechte Nachlassgegenstände sein können, könnte der Bevollmächtigte sich gegen den Widerruf eines Miterben wehren. Sollte der Miterbe ihm gegenüber behaupten, er widerrufe im Auftrag und für die gesamte Erbengemeinschaft, kann der Bevollmächtigte dies vorsorglich gem. § 174 S. 1 BGB zurückweisen.
Rz. 39
Da das Recht der Erbengemeinschaft zuweilen als kompliziert und unübersichtlich angesehen wird, kann man mit dieser Auffassung vielleicht bei einem unbedarften Gegner erfolgreich sein.
Der Miterbe, der für die ganze Erbengemeinschaft widerruft, kann so möglicherweise allein Rückgabe der Vollmachtsurkunde erlangen, die gem. § 2039 BGB grundsätzlich hinterlegt werden müsste.
Andererseits kann der Bevollmächtigte, der mit der Rechtsauffassung, der Widerruf sei eine Verfügung, den Widerruf des Miterben ignoriert, guten Glauben für sich beanspruchen und vorläufig weiter verfügen. Jedoch handelt es sich um eine extreme Mindermeinung.
Rz. 40
Nach der Gegenmeinung ist der Widerruf eine Verwaltungsmaßnahme, die gem. § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB nur von der ganzen Erbengemeinschaft erklärt werden kann. Für einzelne Vollmachten, insbesondere Kontovollmachten, kann diese Auffassung durchaus dienlich sein, im Bereich der Vorsorgevollmachten wird die Luft dünner.
Rz. 41
Hinweis
Es kann aus taktischen Gründen ratsam sein, nur einen Miterben zum Widerruf "vorzuschicken", wenn die Erbengemeinschaft auf ein gutes Arbeitsverhältnis mit dem Bevollmächtigten angewiesen ist (oder zu sein glaubt). Nach außen kann man dann alles auf den "Querulanten" schieben, und hat gleichzeitig die Sicherheit, dass der Bevollmächtigte nicht mehr eigenmächtig handeln kann.
Rz. 42
Bei Widerruf durch einen Miterben entfällt nach hier vertretener Auffassung die Pflicht des Bevollmächtigten zur Rückgabe der Vollmachtsurkunde. Stattdessen hat der widerrufende Miterbe einen Anspruch auf Aufnahme eines Widerrufsvermerks in der Urkunde. Dies ist insofern konsequent, weil das der Vollmacht zugrunde liegende Rechtsverhältnis, das meist ein Auftrag sein wird, nicht einseitig beendet werden kann, soweit es sich auf Nachlassgegenstände bezieht. Hier gilt das Gebot des ausschließlich gemeinschaftlichen Verfügungsrechts gem. § 2040 Abs. 1 BGB.
Rz. 43
Muster 2.4: Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch den Miterben
Muster 2.4: Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch den Miterben
Per Boten
Herrn _________________________
Widerruf der Vollmacht des Erblassers _________________________ für den Miterben _________________________
Ausweislich beigefügter Vollmacht zeige ich die Vertretung von Herrn _________________________ an.
Mein Mandant ist...