Dieter Trimborn van Landenberg
Rz. 7
Der mit dem Widerruf einer Vorsorgevollmacht beauftragte Rechtsanwalt muss zunächst prüfen, wer hierzu berechtigt ist.
I. Vollmachtgeber
Rz. 8
In erster Linie ist selbstverständlich der Vollmachtgeber zum Widerruf der Vollmacht berechtigt, wenn er mit dem Bevollmächtigten nicht mehr zufrieden ist.
Dieser Fall ist in der anwaltlichen Praxis selten, weil sich der geistig rege Vollmachtgeber regelmäßig auch ohne anwaltlichen Beistand zu helfen weiß.
Problematisch sind die häufigeren Fälle, in denen der Vollmachtgeber nicht mehr geschäftsfähig ist bzw. erhebliche Zweifel an seiner Geschäftsfähigkeit bestehen.
Die Initiative zum Widerruf der Vollmacht geht dann oft von Angehörigen aus, die meinen, man müsse nun dringend etwas unternehmen.
Rz. 9
Hinweis
Bei eigenen Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers darf der Rechtsanwalt zwar gutgläubig sein und zügig den Widerruf erklären. Er sollte aber gleichzeitig anregen, zeitnah ein psychiatrisches Attest über die geistige Verfassung beizubringen, mit dem die Geschäftsfähigkeit notfalls bewiesen werden kann.
Rz. 10
Da der Widerruf eine einseitige Willenserklärung ist, kann ein nicht geschäftsfähiger Vollmachtgeber keinen Widerruf erklären. Dann wäre ein Betreuungsverfahren zur Bestellung eines Kontrollbetreuers auf den Weg zu bringen.
II. (Kontroll-)Betreuer
Rz. 11
Sofern für den Vollmachtgeber eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge angeordnet wurde, ist der Betreuer gem. § 1823 BGB zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung berechtigt. Der Widerruf erteilter Vollmachten gehört in diesem Zusammenhang zu den ersten Amtshandlungen des Betreuers. Nur, wenn kein Dritter mehr über das Vermögen des Betreuten verfügen kann, ist die Sicherheit des Vermögens gewährleistet.
Rz. 12
Ist hingegen eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilt, entfällt damit gem. § 1814 Abs. 3 Ziff. 1. BGB regelmäßig das Bedürfnis nach Einrichtung einer Betreuung. Bei offenkundigem oder vermutetem Missbrauch der Vorsorgevollmacht kann daher nicht einfach statt des Bevollmächtigten ein Betreuer eingesetzt werden. Gleichwohl müssen Angehörige und zukünftige Erben nicht tatenlos zusehen, wenn der Bevollmächtigte "aus der Reihe tanzt".
In diesem Fall hilft die Anregung einer sog. Kontrollbetreuung gem. § 1820 BGB. Die Kontrollbetreuung, die im Rahmen der Reform des Betreuungsrechts zum 1.1.2023 neu geregelt wurde, stellt ein Korrektiv für die Fälle dar, in denen der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht nicht mehr selbst widerrufen kann und auch keinen Kontrollbevollmächtigten bestimmt hat.
Rz. 13
Das Gericht hat in jedem Fall eine sensible Güterabwägung vorzunehmen: Auf der einen Seite steht das Selbstbestimmungsrecht des Bürgers, seine Dinge vorrangig selbst zu regeln. Dazu gehört auch das Recht, bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit bzw. des Wuchers schlechte Geschäfte zu machen.
Es macht grundsätzlich keinen Unterschied, ob es sich um ein Haustürgeschäft oder ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt, das in der Vollmachterteilung bzw. dem zugrunde liegenden Auftragsverhältnis zu sehen ist. Nicht jedes Fehlverhalten und schon gar nicht jede Besorgnis eines solchen rechtfertigt die Bestellung eines Kontrollbetreuers.
Andererseits hat der Staat die Aufgabe, hilflosen Menschen beizustehen, die von treulosen Bevollmächtigten diskret enteignet werden. Das Wohl des Vollmachtgebers steht immer im Zentrum der Betrachtung. In der Praxis ist hingegen häufig ein anderes Motiv tragend, wenn Angehörige nach Wegen suchen, ihr zukünftiges Erbe zu sichern.
Rz. 14
Der BGH hatte in jüngster Zeit mehrfach Gelegenheit, in diesem Spannungsfeld die Voraussetzungen für die Anordnung einer Kontrollbetreuung bei Vorliegen einer wirksamen Vorsorgevollmacht zu definieren:
Zitat
Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung nur dann errichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung kann nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Vollmachtgeber hat die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtliche Betreuung zu vermeiden.
Daher müssen weitere Umstände hinzutreten. (…) Notwendig ist mithin der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird. Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil die zu besorgenden Geschäfte von besonderer Schwierigkeit und/oder besonderem Umfang sind oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglic...