Rz. 61

F verlangt von M nachehelichen Unterhalt. F betreut das gemeinsame 8-jährige Kind. M hat nach Vorwegabzug des Kindesunterhalts ein bereinigtes Nettoeinkommen von 3.600 EUR. F hat aus einer ¾-Stelle, mit der sie ihrer Erwerbsobliegenheit genügt, ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 1.100 EUR. F hätte im Falle einer Vollzeittätigkeit ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 1.400 EUR. Dass sie ohne Eheschließung (und Kindererziehung) heute mehr verdienen würde, hat F nicht ausreichend dargelegt bzw. wurde von M widerlegt. Es ist also davon auszugehen, dass F ohne Ehe auch lediglich 1.400 EUR hätte.

I. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 62

Es kommen hier Teilansprüche in Form von Aufstockungsunterhalt und Betreuungsunterhalt in Betracht. Allgemein zum Ehegattenunterhalt siehe Fälle 15 und 16, § 3 Rdn 1 ff.

Es sind Teilansprüche zu unterscheiden:

 

BGH, Beschl. v. 26.2.2014 – XII ZB 235/12 Rn 10

Der Senat unterscheidet in ständiger Rechtsprechung für die Abgrenzung der Anspruchsgrundlagen wegen eines Erwerbshindernisses aus §§ 1570 bis 1572 BGB und aus § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt) danach, ob wegen des vorliegenden Hindernisses eine Erwerbstätigkeit vollständig oder nur zum Teil ausgeschlossen ist.

Wenn der Unterhaltsberechtigte an einer Erwerbstätigkeit vollständig gehindert ist, ergibt sich der Unterhaltsanspruch allein aus §§ 1570 bis 1572 BGB, und zwar auch für den Teil des Unterhaltsbedarfs, der nicht durch das Erwerbshindernis verursacht worden ist, sondern auf dem den angemessenen Lebensbedarf übersteigenden Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB beruht.

Bei einer – wie hier – lediglich teilweisen Erwerbshinderung ist der Unterhalt allein wegen des durch die Erwerbshinderung verursachten Einkommensausfalls auf §§ 1570 bis 1572 BGB zu stützen und im Übrigen auf § 1573 Abs. 2 BGB (Senatsurteile BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 Rn 20 und vom 21.4.2010 – XII ZR 134/08, FamRZ 2010, 1050 Rn 41).

Diese Teilansprüche ändern aber nichts daran, dass der Unterhaltsanspruch einheitlich zu bemessen ist.

II. Bedarf der F

 

Rz. 63

Der Bedarf beurteilt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen.

 

BGH, Beschl. v. 26.2.2014 – XII ZB 235/12 Rn 11

Die Höhe des nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB einheitlich zu bemessenden Unterhaltsanspruchs richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (vgl. insoweit Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn 16 ff. m.w.N.).

M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 3.600 EUR. Nach Abzug des 10 %igen Erwerbstätigenbonus verbleibt ein bedarfsbestimmendes Einkommen von 3.240 EUR (3.600 – 360 EUR).

F hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.100 EUR. Nach Abzug des 10 %igen Erwerbstätigenbonus verbleibt ein bedarfsbestimmendes Einkommen von 990 EUR (1.100 – 110 EUR).

Gesamtbedarf: 4.230 EUR (3.240 + 990 EUR)

Einzelbedarf der F: 2.115 EUR (4.230 EUR : 2)

III. Bedürftigkeit der F

 

Rz. 64

Bedürftigkeit der F (ungedeckter Bedarf der F): Einzelbedarf abzüglich Eigeneinkommen

2.115 – 990 EUR = 1.125 EUR

IV. Leistungsfähigkeit des M

 

Rz. 65

Leistungsfähigkeit des M:

Sein Ehegattenmindestselbstbehalt von 1.280 EUR wäre auch bei Zahlung von 1.125 EUR gewahrt. Ihm verblieben 2.475 EUR (3.600 – 1.125)

V. Sonderfragen, insb. Herabsetzung und Befristung

 

Rz. 66

Neben bspw. Verwirkung, Verzug, Mangelverteilung und Rangfragen sind an letzter Stelle – abgesehen von einer abschließenden allgemeinen Angemessenheitsprüfung – die Herabsetzung und Befristung des Unterhalts (§ 1578b BGB) zu prüfen.

Es stellt sich die Frage: ist die Fortdauer eines Unterhaltsanspruchs von 720 EUR unbillig i.S.v. § 1578b BGB?

1. Grundsatz der Eigenverantwortung als Ausgangspunkt, Inhalt und Anwendungsbereich des § 1578b BGB

 

Rz. 67

Vgl. hierzu den Fall 58, Rdn 7 ff.

2. Prüfungsreihenfolge: Herabsetzung vor Befristung

 

Rz. 68

Zunächst ist die Herabsetzung zu prüfen, vgl. den Fall 58, Rdn 10.

3. Herabsetzung nach § 1578b Abs. 1

 

Rz. 69

Mögliches Ziel der Herabsetzung: angemessener Bedarf.

4. Herabsetzung bis auf den angemessenen Bedarf?

a) Deckung des angemessenen Bedarfs kompensiert ehebedingte Nachteile

 

Rz. 70

Angemessener Bedarf: das, was die F heute hätte, wenn sie nicht geheiratet und das Kind erzogen hätte.

D.h.: F soll nur noch so viel Unterhalt erhalten, dass er zusammen mit etwaigem Eigeneinkommen nur noch den angemessenen Bedarf – nicht mehr den eheangemessenen Bedarf – deckt.

Ein höheres hypothetisches – ohne Eheschließung und Kindererziehung – Einkommen hat F im Fallbeispiel nicht dargelegt bzw. wurde von M widerlegt. F würde also auch ohne Eheschließung und Kindererziehung keine lukrativere Tätigkeit ausüben.

Aber ohne die Kinderbetreuung würde F Vollzeit arbeiten. F würde Vollzeit 1.400 EUR verdienen. Dies ist ihr angemessener Bedarf.

Nachdem F ein Eigeneinkommen von 1.100 EUR hat, kann der oben errechnete Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen von 1.125 EUR grds. bis auf 300 EUR herabgesetzt werden.

Dann hat F so viel, wie sie ohne Eheschließung heute hätte, nämlich 1.400 EUR (1.100 EUR Eigeneinkommen + 300 EUR Unterhalt).

Ein ehebedingter Nachteil läge dann auf den ersten Blick nicht mehr vor, zumal ein solcher grundsätzlich immer unterhalb des angemessenen Bedarfs angesiedelt ist.

b) Nachteile in der Altersvorsorge als ehebedingter Nachteil?

aa) Versorgungsnachteile aus der Ehezeit

 

Rz. 71

Dass F während der Ehe unter Umständen weniger verdient hat und deshalb geringere Rentenanwartschaften aufgebaut hat, begründet keinen ehebedingten Nachteil i.S.v. § 1578b BGB. Denn diese Einbußen werden grds. (nur) durch den Versorgungsausgleich kom...

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