Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
aa) Darlegungs- und Beweislast des Erben
Rz. 266
Wird der Erbe verklagt, so muss er sich in den Urteilstenor einen Haftungsbeschränkungsvorbehalt nach § 780 ZPO aufnehmen lassen. Der Erbe hat darzulegen und erforderlichenfalls auch zu beweisen, dass der Nachlass unzulänglich ("dürftig") ist. Das Gericht trifft dann eine entsprechende Aufklärungspflicht.
Dazu der BGH im Falle der Geltendmachung der Dürftigkeit des Nachlasses gegenüber einem Pflichtteilsergänzungsanspruch:
Zitat
"Hat der Erbe gegenüber dem Pflichtteilsergänzungsanspruch die Einrede der Unzulänglichkeit des Nachlasses (§ 1990 BGB) erhoben, so muss das Prozessgericht entweder die Frage des Haftungsumfangs sachlich aufklären und darüber entscheiden oder den Vorbehalt der Haftungsbeschränkung gem. § 780 I ZPO aussprechen (Bestätigung von BGH NJW 1983, 2378)."
Sind die einzelnen Nachlassgegenstände bekannt, so können sie bei Nachweis der Dürftigkeit des Nachlasses bereits in das Urteil aufgenommen werden in der Weise, dass das Gericht die einzelnen Nachlassgegenstände – in einer Anlage zum Urteil – aufzählt, in die der Erbe (Beklagte) die Zwangsvollstreckung zu dulden hat. Damit wird ein späterer Rechtsstreit (Vollstreckungsgegenklage) vermieden, wenn der Nachlassgläubiger trotzdem in Vermögensgegenstände des Eigenvermögens des Erben vollstrecken sollte.
Oder vom BayObLG anders ausgedrückt:
Zitat
"Sind die Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung bereits im Erkenntnisverfahren bejaht worden, ist nur zur Leistung aus dem Nachlass zu verpflichten. Gegen die Vollstreckung in nachlassfremde Gegenstände können sich die Erben dann auf dem einfacheren Wege des § 766 ZPO zur Wehr setzen."
Prozessual verhindert der Erbe die Einzelvollstreckung eines Nachlassgläubigers in sein Eigenvermögen in entsprechender Anwendung von § 784 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 785, 767 ZPO, sofern er den Haftungsbeschränkungsvorbehalt in den Tenor des Ersturteils hat aufnehmen lassen.
Maßgebender Zeitpunkt für das Nichtvorhandensein einer entsprechenden Nachlassmasse ist nicht der Erbfall, sondern der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zur Entscheidung über die Einrede. Denn: Der Nachlass kann auch nachträglich dürftig geworden sein.
bb) Verantwortlichkeit des Erben für seine Verwaltungshandlungen
Rz. 267
Die Verantwortlichkeit des Erben gegenüber den Nachlassgläubigern für seine Rechtshandlungen bestimmt sich wie bei der Nachlassverwaltung und beim Nachlassinsolvenzverfahren, §§ 1991 Abs. 1, 1978, 1979 BGB.
cc) Herausgabe des Nachlasses zum Zwecke der Zwangsvollstreckung
Rz. 268
Nach Erhebung der Dürftigkeitseinrede muss der Erbe den Nachlass an den Gläubiger herausgeben zur Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung. Deshalb ist der Erbe, sobald sich die Dürftigkeit des Nachlasses abzeichnet, gut beraten, frühzeitig eine tatsächliche Trennung des Nachlasses – bspw. durch Lagerung in einem gesonderten Raum – herbeizuführen, damit er dem Gläubiger jederzeit dessen bisherige Haftungsgrundlage in concreto – nämlich die Nachlassgegenstände – zur Verfügung stellen kann.
Forderungen aus rechtskräftigen Verurteilungen zugunsten anderer Gläubiger kann er zuvor befriedigen bzw. abziehen (§ 1991 Abs. 3 BGB), ebenso eigene Forderungen gegen den Nachlass. Abwendung durch Zahlung des Wertes sieht das Gesetz nicht vor (anders als im Falle der Überschwerungseinrede des § 1992 BGB). Die Herausgabe dient der Abwehr des Zugriffs der Nachlassgläubiger auf das Eigenvermögen des Erben.
Der Vorbereitung des Anspruchs des Nachlassgläubigers auf Herausgabe des Nachlasses zum Zwecke der Zwangsvollstreckung dient der durch Verweisung auf § 1978 BGB gewährte Anspruch auf Auskunft und Rechenschaftslegung. Die Verantwortlichkeit des Erben für die bisherige Verwaltung des Nachlasses bestimmt sich wie bei § 1978 BGB nach dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag (für die Zeit vor Erbschaftsannahme) bzw. nach Auftragsrecht (für die Zeit seit Erbschaftsannahme).