Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
Rz. 79
Diese Art von Verbindlichkeiten entsteht aus Rechtshandlungen des Erben im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses. Für sie haften sowohl der Nachlass als auch das Eigenvermögen des Erben. Eigenvermögen des Erben zugreifen; er hat zwei Haftungsgrundlagen. Letztlich haftet dafür der Erbe also unbeschränkt.
Beispiel
Der Erblasser hatte mit einem Hausbau begonnen, der weitgehend fertig gestellt ist. Der Erbe schließt bezüglich der Restarbeiten Werkverträge ab und nimmt dafür auch die bereits vom Erblasser beantragten Baukredite in Anspruch.
Hier haftet der Erbe mit seinem Eigenvermögen auf der Grundlage der von ihm abgeschlossenen Verträge kraft Rechtsgeschäfts; es haftet aber auch der Nachlass, weil sich die Rechtsgeschäfte eindeutig auf einen Nachlassgegenstand beziehen. Der Erbe könnte kraft rechtsgeschäftlicher Vereinbarung seine Haftung auf den Nachlass beschränken, wenn dies im Werkvertrag bzw. in den Darlehensverträgen bezüglich der Baukredite ausdrücklich so vereinbart würde. Grundlage der unbeschränkten Haftung ist das allgemeine Vertrags- und Schuldrecht, wonach ein Vertragspartner mit allem haftet, was er hat.
Eine Abwasserbeitragsschuld, die nach dem Tod des Erblassers entsteht, ist keine reine Nachlassverbindlichkeit, sondern eine eigene Verbindlichkeit des Erben, die insoweit nicht der Haftungsbeschränkung der §§ 1975, 1990 BGB unterliegt.
Rz. 80
Wird nach der Eingehung einer Nachlasserbenschuld eine Haftungsbeschränkungsmaßnahme angeordnet (Nachlassverwaltung, Nachlassinsolvenz), so kann der Erbe Befreiung von der ihn persönlich treffenden Verbindlichkeit verlangen gem. § 257 BGB, wenn die Eingehung der Verbindlichkeit zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich war. Hat der Erbe aus seinem Eigenvermögen die Verbindlichkeit erfüllt, so kann er gem. §§ 1978 Abs. 3, 670 BGB Ersatz aus dem Nachlass verlangen.
Rz. 81
Die Abgrenzung zwischen Eigenschulden des Erben und Nachlassverbindlichkeiten ist erforderlich, um festzustellen, ob der Erbe nach § 1978 Abs. 3 BGB Ersatzforderungen gegen den Nachlass geltend machen kann. Dafür wurde von der Rechtsprechung folgender Maßstab entwickelt:
Rz. 82
Vom Erben selbst eingegangene Verbindlichkeiten sind dann sowohl Eigenverbindlichkeiten als auch Nachlassverbindlichkeiten, wenn sie "vom Standpunkt eines sorgfältigen Verwalters in ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses eingegangen" wurden. Entspricht die Verwaltungsmaßnahme, die zu der Begründung der betreffenden Verbindlichkeit geführt hat, nicht einer ordnungsmäßigen Verwaltung, so wurde damit keine Nachlassverbindlichkeit, sondern lediglich eine Eigenverbindlichkeit des Erben begründet.
Rz. 83
Praktische Bedeutung erlangt die Abgrenzung zwischen Nachlassverbindlichkeiten und Eigenverbindlichkeiten dann, wenn eine Haftungsbeschränkungsmaßnahme herbeigeführt wird. Mit dieser tritt eine Gütersonderung ein (Verwaltungsmäßige Trennung des Eigenvermögens des Erben vom Nachlass). Nach Wirksamwerden einer solchen Maßnahme können Gläubiger des Erben wegen dessen Eigenverbindlichkeiten keinen Zugriff mehr nehmen auf Nachlassgegenstände (§ 1984 Abs. 2 BGB, § 784 Abs. 2 ZPO). Andererseits stehen den Nachlassgläubigern in diesem Falle Vermögensgegenstände des Erben aus seinem Eigenvermögen nicht mehr als Haftungsgrundlage zur Verfügung.
Rz. 84
Es entspricht allgemeiner Meinung, dass Kosten eines Rechtsstreits, den der Erbe im Hinblick auf den Nachlass führt, Nachlasserbenschulden sind und dass deshalb ein Vorbehalt der Beschränkung der Erbenhaftung sich nur auf die Hauptsache, nicht aber auf die Kosten bezieht. Will der Erbe der persönlichen Haftung wegen der Kosten der gerichtlichen Geltendmachung entgehen, dann bleibt ihm nur der Weg, unter den Voraussetzungen des § 93 ZPO den Anspruch unter Vorbehalt der Beschränkung der Erbenhaftung anzuerkennen.