Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
Rz. 162
Das Nachlassinsolvenzverfahren ist ein Mittel zur Herbeiführung der Haftungsbeschränkung und der dafür erforderlichen verwaltungsmäßigen Trennung des Nachlasses vom Eigenvermögen des Erben (Gütersonderung). Es wird nur auf Antrag eröffnet, vgl. § 317 Abs. 1 InsO. Der Erbe kann die mit der Eröffnung des Verfahrens verbundene Haftungsbeschränkung herbeiführen, weil das Gesetz ihm ein Antragsrecht gewährt (§ 1980 Abs. 1 BGB, § 317 Abs. 1 InsO).
1. Zuständigkeit
Rz. 163
Die örtliche Zuständigkeit ist konzentriert: Dasjenige Amtsgericht ist Insolvenzgericht für einen ganzen Landgerichtsbezirk, wo der Sitz des betreffenden Landgerichts ist (§ 2 Abs. 1 InsO). Landesrechtlich können abweichende Regelungen getroffen werden (§ 2 Abs. 2 InsO). Der allgemeine Gerichtsstand des Erblassers zur Zeit seines Todes, also sein letzter Wohnsitz gem. § 13 ZPO, bestimmt die örtliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts (§ 315 InsO).
Nach § 315 S. 2 InsO kann es dazu kommen, dass mehrere Gerichte ausschließlich zuständig sind, so bspw. bei einem doppelten Wohnsitz des Erblassers. Gem. § 3 Abs. 2 InsO entscheidet in einem solchen Fall die zeitliche Reihenfolge. Das zuerst mit einem Antrag befasste Gericht schließt andere zuständige Gerichte aus.
2. Gegenstand der Insolvenz
Rz. 164
Nur der ganze Nachlass kann Gegenstand des Insolvenzverfahrens sein (§ 316 Abs. 3 InsO). Die Annahme der Erbschaft und die Haftungsbeschränkung sind nicht mehr Voraussetzung. Bei einer Miterbengemeinschaft ist auch noch nach der Teilung des Nachlasses eine Insolvenz möglich (§ 316 Abs. 2, 3 InsO).
3. Insolvenzeröffnungsgrund
Rz. 165
Drei Insolvenzgründe kennt das Gesetz:
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Überschuldung, |
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Zahlungsunfähigkeit, |
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drohende Zahlungsunfähigkeit, wenn der Antrag vom Erben oder einem Fremdverwalter, wie Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter, gestellt wird (§ 320 InsO). Entscheidend ist die Liquidität des Nachlasses und nicht die des Erben. |
4. Antragsberechtigte
Rz. 166
Antragsberechtigt sind (§ 317 Abs. 1 InsO):
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jeder Miterbe, |
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jeder Nachlassgläubiger, befristet auf zwei Jahre nach Erbschaftsannahme (§§ 14, 319 InsO), |
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der Verwaltungstestamentsvollstrecker, |
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der Nachlassverwalter, |
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der Nachlasspfleger. |
Rz. 167
Zur Antragstellung sind der Erbe und der Nachlassverwalter verpflichtet, wenn sie von der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung Kenntnis erhalten (§§ 1980 Abs. 1, 1985 Abs. 2 BGB). Welche Anforderungen an den Nachweis der Erbenstellung desjenigen zu stellen sind, welcher als Erbe die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragt, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. In Instanzrechtsprechung und Schrifttum wird überwiegend verlangt, der Antragsteller habe seine Erbenstellung durch Vorlage eines Erbscheins nachzuweisen, während andere Stimmen eine Glaubhaftmachung der Erbenstellung genügen lassen. Kein Antragsrecht hat, wer die Versäumung der Ausschlagungsfrist wirksam angefochten und die Erbschaft damit ausgeschlagen hat (§§ 1957 Abs. 1, 1956, 1943 Hs. 2 BGB). Mit der Ausschlagung der Erbschaft verliert der Erbe auch das Recht zur Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens.
Rz. 168
Für den Antrag des Erben auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ist es notwendig, dass ein Eröffnungsgrund in substantiiert nachvollziehbarer Form dargelegt wird, wobei insofern ausreichend ist, dass Tatsachen mitgeteilt werden, welche die wesentlichen Merkmale eines Eröffnungsgrundes erkennen lassen. Der Insolvenzeröffnungsantrag eines Nachlasspflegers ist zulässig, wenn er eine Überschuldung des Nachlasses in substantiierter, nachvollziehbarer Form darlegt; eine Schlüssigkeit im technischen Sinne ist nicht erforderlich.
Rz. 169
Im Falle eines Gläubigerantrags müssen gem. § 14 Abs. 1 InsO die Forderung des Gläubigers, ein Eröffnungsgrund und das rechtliche Interesse glaubhaft gemacht werden. Über § 4 InsO gilt für die Glaubhaftmachung § 294 ZPO. Also: Alle präsenten Beweismittel, die die ZPO kennt, und darüber hinaus die eidesstattliche Versicherung (in aller Regel des Antragstellers) sind Mittel der Glaubhaftmachung. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes dürfen nicht überspannt werden, erforderlichenfalls kann dies mit der sofortigen weiteren Beschwerde gerügt werden.
Ob für das Insolvenzeröffnungsverfahren Prozesskostenhilfe gewährt werden kann, ist streitig. Speziell für das Nachlassinsolvenzverfahren vertritt das LG Göttingen die Ansicht, für einen Antrag des Erben auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens sei grundsätzlich eine Prozesskostenhilfebewilligung zulässig. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts komme jedenfalls dann in Betracht, we...