Rz. 162

Das Nachlassinsolvenzverfahren ist ein Mittel zur Herbeiführung der Haftungsbeschränkung und der dafür erforderlichen verwaltungsmäßigen Trennung des Nachlasses vom Eigenvermögen des Erben (Gütersonderung). Es wird nur auf Antrag eröffnet, vgl. § 317 Abs. 1 InsO. Der Erbe kann die mit der Eröffnung des Verfahrens verbundene Haftungsbeschränkung herbeiführen, weil das Gesetz ihm ein Antragsrecht gewährt (§ 1980 Abs. 1 BGB, § 317 Abs. 1 InsO).[173]

[173] Aber der Erbe ist nach Annahme der Erbschaft trotz eines schwebenden Erbprätendentenstreits und deswegen angeordneter Nachlasspflegschaft aus § 1980 Abs. 1 BGB verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen. Im Rahmen der Schadensersatzpflicht aus § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB ist dem Erben die schuldhaft verspätete Stellung des Insolvenzantrags durch den Nachlasspfleger nicht gem. §§ 166 Abs. 1, 278 BGB zuzurechnen, BGH NJW 2005, 756.

1. Zuständigkeit

 

Rz. 163

Die örtliche Zuständigkeit ist konzentriert: Dasjenige Amtsgericht ist Insolvenzgericht für einen ganzen Landgerichtsbezirk, wo der Sitz des betreffenden Landgerichts ist (§ 2 Abs. 1 InsO). Landesrechtlich können abweichende Regelungen getroffen werden (§ 2 Abs. 2 InsO). Der allgemeine Gerichtsstand des Erblassers zur Zeit seines Todes, also sein letzter Wohnsitz gem. § 13 ZPO, bestimmt die örtliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts (§ 315 InsO).

Nach § 315 S. 2 InsO kann es dazu kommen, dass mehrere Gerichte ausschließlich zuständig sind, so bspw. bei einem doppelten Wohnsitz des Erblassers. Gem. § 3 Abs. 2 InsO entscheidet in einem solchen Fall die zeitliche Reihenfolge. Das zuerst mit einem Antrag befasste Gericht schließt andere zuständige Gerichte aus.

2. Gegenstand der Insolvenz

 

Rz. 164

Nur der ganze Nachlass kann Gegenstand des Insolvenzverfahrens sein (§ 316 Abs. 3 InsO). Die Annahme der Erbschaft und die Haftungsbeschränkung sind nicht mehr Voraussetzung. Bei einer Miterbengemeinschaft ist auch noch nach der Teilung des Nachlasses eine Insolvenz möglich (§ 316 Abs. 2, 3 InsO).

3. Insolvenzeröffnungsgrund

 

Rz. 165

Drei Insolvenzgründe kennt das Gesetz:

Überschuldung,
Zahlungsunfähigkeit,
drohende Zahlungsunfähigkeit, wenn der Antrag vom Erben oder einem Fremdverwalter, wie Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter, gestellt wird (§ 320 InsO). Entscheidend ist die Liquidität des Nachlasses und nicht die des Erben.

4. Antragsberechtigte

 

Rz. 166

Antragsberechtigt sind (§ 317 Abs. 1 InsO):

jeder Miterbe,
jeder Nachlassgläubiger, befristet auf zwei Jahre nach Erbschaftsannahme (§§ 14, 319 InsO),
der Verwaltungstestamentsvollstrecker,
der Nachlassverwalter,
der Nachlasspfleger.
 

Rz. 167

Zur Antragstellung sind der Erbe und der Nachlassverwalter verpflichtet, wenn sie von der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung Kenntnis erhalten (§§ 1980 Abs. 1, 1985 Abs. 2 BGB). Welche Anforderungen an den Nachweis der Erbenstellung desjenigen zu stellen sind, welcher als Erbe die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragt, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. In Instanzrechtsprechung und Schrifttum wird überwiegend verlangt, der Antragsteller habe seine Erbenstellung durch Vorlage eines Erbscheins nachzuweisen,[174] während andere Stimmen eine Glaubhaftmachung der Erbenstellung genügen lassen.[175] Kein Antragsrecht hat, wer die Versäumung der Ausschlagungsfrist wirksam angefochten und die Erbschaft damit ausgeschlagen hat (§§ 1957 Abs. 1, 1956, 1943 Hs. 2 BGB). Mit der Ausschlagung der Erbschaft verliert der Erbe auch das Recht zur Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens.[176]

 

Rz. 168

Für den Antrag des Erben auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ist es notwendig, dass ein Eröffnungsgrund in substantiiert nachvollziehbarer Form dargelegt wird, wobei insofern ausreichend ist, dass Tatsachen mitgeteilt werden, welche die wesentlichen Merkmale eines Eröffnungsgrundes erkennen lassen. Der Insolvenzeröffnungsantrag eines Nachlasspflegers ist zulässig, wenn er eine Überschuldung des Nachlasses in substantiierter, nachvollziehbarer Form darlegt; eine Schlüssigkeit im technischen Sinne ist nicht erforderlich.[177]

 

Rz. 169

Im Falle eines Gläubigerantrags müssen gem. § 14 Abs. 1 InsO die Forderung des Gläubigers, ein Eröffnungsgrund und das rechtliche Interesse glaubhaft gemacht werden. Über § 4 InsO gilt für die Glaubhaftmachung § 294 ZPO. Also: Alle präsenten Beweismittel, die die ZPO kennt, und darüber hinaus die eidesstattliche Versicherung (in aller Regel des Antragstellers) sind Mittel der Glaubhaftmachung. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes dürfen nicht überspannt werden, erforderlichenfalls kann dies mit der sofortigen weiteren Beschwerde gerügt werden.[178]

Ob für das Insolvenzeröffnungsverfahren Prozesskostenhilfe gewährt werden kann, ist streitig.[179] Speziell für das Nachlassinsolvenzverfahren vertritt das LG Göttingen[180] die Ansicht, für einen Antrag des Erben auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens sei grundsätzlich eine Prozesskostenhilfebewilligung zulässig. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts komme jedenfalls dann in Betracht, we...

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