Rz. 72
In Deutschland haben sich Ausstiegsklauseln eingebürgert, die ursprünglich aus dem amerikanischen Rechtsraum stammen und etwas abenteuerlich anmutende Namen wie Russian Roulette und Texan Shoot-out tragen. Den Regelungen ist gemeinsam, dass ein Partner die Anteile seines Mitgesellschafters übernimmt, ohne dass langwierige und streitanfällige Verhandlungen oder eine Bewertung des Joint Ventures durch einen Gutachter erforderlich werden. Das schnelle Schaffen klarer Verhältnisse liegt im Interesse aller Beteiligten, da sich ein längerer Konflikt zwischen den Partnern häufig lähmend und damit wertmindernd auf das Joint Venture auswirkt. Die Ausstiegsklauseln sollen Verhandlungen bzw. externe Bewertungen dadurch ersparen, dass ein Partner bis zum Abschluss des Prozesses nicht sicher weiß, ob er zu den von ihm festgelegten Konditionen Anteile erwerben oder veräußern muss. Dies soll einen Anreiz dazu setzen, ein "faires" Angebot zu unterbreiten. Sowohl Russian Roulette- als auch Texan Shoot-out-Klauseln sind in verschiedenen Variationen und Kombinationen denkbar. Im Folgenden werden nur die Grundkonstellationen vorgestellt.
Rz. 73
Beim Grundmodell der Russian-Roulette-Klausel unterbreitet Partner A, der die Zusammenarbeit beenden will, Partner B ein Verkaufs- und Abtretungsangebot hinsichtlich aller seiner Anteile. Der Joint Venture-Vertrag bestimmt Voraussetzungen, die für die Abgabe eines solchen Angebots erfüllt sein müssen. Falls Partner B das Angebot nicht annimmt, ist er verpflichtet, alle seine Anteile zu dem Preis an A zu verkaufen, den dieser B ursprünglich angeboten hat.
Rz. 74
Die Texan-Shoot-out-Klausel ist eine mehrstufige Variante des Russian Roulette. Der an der Beendigung des Joint Ventures interessierte Partner A macht Partner B bzgl. aller von diesem gehaltenen Anteile ein Kaufangebot. Nimmt B das Angebot an, scheidet er aus der Joint Venture-Gesellschaft aus und erhält die im Kaufangebot vereinbarte Vergütung. Lehnt er ab, ist er verpflichtet, A seinerseits ein Kaufangebot zu unterbreiten, das über dem ursprünglichen Angebot von A liegt, worauf dann wiederum A reagieren kann etc. Statt dieses potenziell mehrrundigen Verfahrens kann man auch vorsehen, dass auf Wunsch eines Partners eine Auktion durchzuführen ist, bei der die Partner verdeckte Kaufangebote ggü. einem Dritten abgeben. Der Kaufvertrag kommt dann auf der Basis des höheren Kaufangebots zustande.
Rz. 75
Die beschriebenen Ausstiegsklauseln sind wegen ihrer "Alles-oder-Nichts"-Wirkung mit Vorsicht zu genießen. Sie führen nur dann zu einer interessengerechten Gestaltung, wenn die Rollen der Partner als Käufer oder Verkäufer nicht von vornherein feststehen. Sie sind daher eher bei paritätischen Joint Ventures in Erwägung zu ziehen, als wenn die Partner in unterschiedlicher Höhe an dem Joint Venture beteiligt sind. Zudem müssen beide Partner über die finanziellen Ressourcen verfügen, um das Joint Venture vollständig übernehmen zu können: Weiß Partner A, dass Partner B einen Anteilskauf nicht finanzieren könnte und daher gezwungen ist, ein Kaufangebot anzunehmen, könnte er ihn mit einem unangemessen niedrigen Gebot aus dem Joint Venture herausdrängen.