Rz. 79
In Deutschland richtet sich die Zusammenschlusskontrolle durch das Bundeskartellamt nach den §§ 35 ff. GWB. Für Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung ist die EG-Fusionskontrollverordnung (FKVO) einschlägig und die Europäische Kommission für die Prüfung zuständig. Das Verfahren nach der FKVO schließt eine Zusammenschlusskontrolle nach dem GWB aus – eine Zuständigkeit von Bundeskartellamt und Europäischer Kommission besteht niemals gleichzeitig, letztere ist vorrangig (vgl. § 35 Abs. 3 GWB). Ein Joint Venture kann aber zusätzlich in Staaten außerhalb der EU sowie – falls nicht die Zuständigkeit der Europäischen Kommission begründet ist – in einzelnen EU-Mitgliedstaaten anzumelden sein.
1. Zuständigkeit und Anmeldepflicht
Rz. 80
In den meisten Staaten der Welt richtet sich die Anmeldepflicht nach den Umsätzen der beteiligten Unternehmen. Gem. § 35 Abs. 1 GWB sind Zusammenschlüsse beim Bundeskartellamt grds. anmeldepflichtig, wenn die Voraussetzungen für die europäische Fusionskontrolle nicht vorliegen und (i) die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio. EUR, (ii) mindestens ein beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als 50 Mio. EUR und (iii) ein anderes beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als 17,5 Mio. EUR erzielt haben. Zusammenschlüsse sind auch dann beim Bundeskartellamt anzumelden, wenn die zweite Inlandsumsatzschwelle von 17,5 Mio. EUR nicht erreicht ist, aber der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Mio. EUR beträgt und das Zielunternehmen in erheblichem Umfang auf dem deutschen Markt tätig ist (§ 35 Abs. 1a GWB).
Hinweis
§ 35 Abs. 2 GWB nennt allerdings zwei Fallgruppen, die von einer Anmeldung befreit sind. Demnach ist ein Zusammenschluss von der Anmeldepflicht ausgenommen, soweit der Zusammenschluss die Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen und Betriebe betrifft, die mit einer kommunalen Gebietsreform einhergeht; diese Fallgruppe findet jedoch in der Aufgriffskonstellation des § 35 Abs. 1a GWB keine Anwendung. Die zweite Fallgruppe betrifft schließlich Zusammenschlüsse von Unternehmen, die sämtlich Mitglieder einer kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe sind und sich in marktfernen Bereichen zusammenschließen (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB).
U.a. für Handel und Verlagswesen gelten Sonderregeln für die Berechnung der Umsatzerlöse. Neben den Umsatzschwellen ist anhand von § 37 GWB zu prüfen, ob das geplante Joint Venture auch einen Zusammenschluss i.S.d. Gesetzes darstellt.
Zudem kann das Bundeskartellamt bestimmte Unternehmen durch Verfügung verpflichten, jeden Zusammenschluss mit einem Zielunternehmen anzumelden, sofern dieses Zielunternehmen einen Umsatz von mehr als 2 Mio. EUR und mehr als zwei Drittel seines Umsatzes im Inland erzielt hat. Voraussetzung für eine solche Verfügung ist u.a., dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch künftige Zusammenschlüsse der wirksame Wettbewerb im Inland erheblich behindert werden könnte (§ 39a Abs. 1, 2 GWB).
Rz. 81
Die FKVO sieht zwei alternative Anmeldungsschwellen vor: Entweder der weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen beträgt zusammen mehr als 5 Mrd. EUR und der gemeinschaftsweite Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen beträgt jeweils mehr als 250 Mio. EUR (Art. 1 Abs. 2 FKVO) oder der weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen beträgt mehr als 2,5 Mrd. EUR und der Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen in mindestens drei Mitgliedstaaten übersteigt jeweils 100 Mio. EUR, wobei der Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen in jedem dieser drei Mitgliedstaaten jeweils mehr als 25 Mio. EUR und der gemeinschaftsweite Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils mehr als 100 Mio. EUR betragen muss (Art. 1 Abs. 3 FKVO). In beiden Fällen ist die Anwendung der Europäischen Fusionskontrolle ausgeschlossen, wenn alle beteiligten Unternehmen mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in demselben Mitgliedstaat erzielen.
Anders als das GWB ist die FKVO aber nicht auf jeden Zusammenschluss in Form eines Joint Ventures anwendbar. Gem. Art. 3 Abs. 4 ist die FKVO nur auf sog. Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen anzuwenden, also solche Joint Ventures, die auf Dauer alle Funktionen einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllen. Bloße Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen fallen demnach auch dann unter das GWB, wenn die Umsatzschwellen der FKVO überschritten sind.
Beispiel: Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen
Das Joint Venture soll in Deutschland den gesamten Online-Verkauf der Produkte der Joint Venture-Partner (Bücher, CDs und DVDs) übernehmen. Zu diesem Zweck statten die Partner das Joint Venture mit Kapital und Personal aus und übertragen...