Rz. 63
Joint Ventures sind unabhängig von der gewählten Rechtsform durchgängig "personalistisch" strukturiert, d.h. die Identität der Partner tritt nicht hinter der bloßen gesellschaftsrechtlichen Beteiligung zurück. Daher verwehrt der Gesellschaftsvertrag den Partnern, ihren Anteil an der Joint Venture-Gesellschaft auf einen Dritten zu übertragen, ohne dass der jeweils andere Partner dieser Übertragung zugestimmt hätte (sog. Vinkulierung). Die Vinkulierung kennt zahlreiche Gestaltungsvarianten.
Hinweis
Sofern die Joint Venture-Partner keine natürlichen Personen sind, bietet die Vinkulierung der Anteile nur unvollkommenen Schutz. Zwar sichert sie die rechtliche, aber nicht die wirtschaftliche Identität der Partner. Diese steht infrage, wenn die Gesellschafter eines Joint Venture-Partners ausgetauscht werden.
Beispiel
Der bisherige Gesellschafter war Lieferant des anderen Partners, der neue ist dessen Wettbewerber.
Vor solchen Veränderungen schützt eine sog. Change-of-Control-Klausel, die einem Joint Venture-Partner Kündigungsrechte oder sonstige Sanktionsmöglichkeiten für den Fall eröffnet, dass sich die Mehrheitsverhältnisse bei dem anderen Partner ändern.
Rz. 64
Es ist nachvollziehbar, dass sich die Joint Venture-Partner keinen Gesellschafter aufzwingen lassen wollen. Umgekehrt hängt der wirtschaftliche Wert eines Joint Venture-Anteils wesentlich von seiner Veräußerlichkeit ab. Die Gestaltung der Veräußerungsrechte und ihrer Begrenzung ist daher ein wesentlicher Schwerpunkt bei der Beratung eines Joint Ventures.
1. Vorerwerbsrechte
Rz. 65
Vorerwerbsrechte räumen einem Partner das Recht ein, den Joint Venture-Anteil des anderen Partners zu übernehmen, falls dieser die Absicht hat, diesen Anteil auf einen Dritten zu übertragen. Der klassische und in den §§ 463 ff. BGB (dispositiv) geregelte Fall ist die Vereinbarung eines Vorkaufsrechts. Übt der Begünstigte ein Vorkaufsrecht aus, kommt zwischen ihm und dem verkaufswilligen Partner ein Kaufvertrag zu denjenigen Bedingungen zustande, die dieser zuvor mit einem dritten Käufer ausgehandelt hat. Sinnvoller ist häufig eine Andienungspflicht des ausscheidenden Partners, bei welcher der Joint Venture-Anteil erst dem verbleibenden Partner zum Verkauf anzubieten ist, bevor mit Dritten Verhandlungen geführt werden dürfen. Übt der verbleibende Partner das Andienungsrecht nicht aus, darf der veräußerungswillige Partner (nur) zu gleichen oder für den Käufer ungünstigeren Konditionen an einen Dritten verkaufen. Der ausscheidende Partner wird es unter diesen Bedingungen leichter finden, einen Käufer für seine Beteiligung zu finden – bei einem Vorkaufsrecht können die Interessenten ja nicht ausschließen, trotz erfolgreich abgeschlossener Verhandlungen nicht zum Zuge zu kommen. Und der verbleibende Partner profitiert davon, dass er bei einer Andienungspflicht Einfluss auf die Vertragskonditionen nehmen kann, zu denen er den Anteil des ausscheidenden Partners erwirbt, falls er dies wünscht.
Rz. 66
Die Wirkung von Vorerwerbsrechten hängt wesentlich davon ab, in welcher Form sie mit der Vinkulierung der Joint Venture-Anteile verknüpft sind. So kann man regeln, dass die Übertragung der Anteile an einen Dritten auch dann der Zustimmung des verbleibenden Partners bedarf, wenn dieser von seinem Vorerwerbsrecht keinen Gebrauch macht. Die Verhandlungsposition des verbleibenden Partners ist dann so stark, dass die ursprüngliche Ausgestaltung des Vorerwerbsrechts keine wesentliche Rolle spielt.
Alternativ kann vorgesehen sein, dass die Vinkulierung aufgehoben ist, sofern der veräußerungswillige Partner das Prozedere des Vorerwerbsrechts einhält. Der verbleibende Partner kann dann (außer durch eigenen Erwerb der Anteile) nicht mehr sicherstellen, dass ihm kein neuer Partner gegen seinen Willen aufgezwungen wird, wodurch wiederum die Verhandlungsposition des ausscheidenden Partners gestärkt wird.
Hinweis
Vorerwerbsrechte werden typischerweise (auch) im Gesellschaftsvertrag des Joint Ventures vereinbart, damit sie für und gegen Dritte wirken. Um diese dingliche Wirkung klarzustellen, ist zu formulieren: "(...) kann ein Partner Anteile erst übertragen, nachdem er sie zuvor erfolglos den übrigen Gesellschaftern zum Kauf angeboten hat (...)" anstatt "(...) darf ein Partner Anteile (...)". Ist der Gesellschaftsvertrag publizitätspflichtig und erlaubt das Vorerwerbsrecht Rückschlüsse auf die Bewertung des Joint Ventures durch die Partner oder enthält es andere vertrauliche Informationen, wird es üblicherweise nur im Joint Venture-Vertrag vereinbart. Die Vinkulierung der Anteile gehört in jedem Fall (auch) in den Gesellschaftsvertrag.
2. Mitverkaufsrecht (Tag Along) und Mitverkaufspflicht (Drag Along)
Rz. 67
Das Mitverkaufsrecht (auch als Tag Along Right bezeichnet) und die Mitverkaufspflicht (Drag Along Right) sind ebenso wie die Vorerwerbsrechte an die Veräußerung an einen Dritten geknüpft.
Rz. 68
Bei dem Tag Along Right ist der veräußernde Partner verpflichtet sicherzustellen, dass sein Partner (der "mitverkaufende" Partner)...