Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 29
Ansprüche auf Herausgabe oder Schadensersatz können sich aus dem der Vollmacht zugrunde liegenden Innenverhältnis ergeben. Dabei handelt es sich grundsätzlich um die gleichen Ansprüche, die auch aus dem Innenverhältnis zwischen Erblasser und Bevollmächtigtem resultieren; handelt der Bevollmächtigte pflichtwidrig, so macht er sich gegenüber dem Erblasser bzw. den Erben schadensersatzpflichtig nach §§ 280 ff., 823 ff. BGB (siehe hierzu § 22 Rdn 53 ff.). Doch welche Maßstäbe gelten hierfür nach dem Tod des Vollmachtgebers?
Rz. 30
Zunächst gilt: Was der Bevollmächtigte im Falle einer transmortalen Vollmacht gegenüber dem Erblasser durfte, darf er jetzt gegenüber dem Erben. Dabei gelten konkrete Weisungen des Erblassers über seinen Tod hinaus fort, bis der Erbe einen anderen Willen durch Gegenanweisung kundtut. Bis zum Widerruf der Vollmacht oder einer Gegenweisung durch den Erben ist im Zweifel allein der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Erblassers und nicht der des Erben für den Bevollmächtigten maßgeblich. In Bezug auf andere Rechtsgeschäfte muss der Bevollmächtigte aber bedenken, dass er postmortal die Erben und nicht mehr den Erblasser vertritt. Hierzu aus der Rechtsprechung des BGH: "Bis zum Widerruf der Vollmacht durch den Erben soll daher im Zweifel allein der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Erblassers und nicht der des Erben für den Bevollmächtigten maßgeblich sein. (…) Ferner kann es der Wunsch des Erblassers gewesen sein, dass der Bevollmächtigte die Vermögensverwaltung im Interesse des Erben weiterführen soll. Mit dem Erbfall wird aber der Erbe der Herr des Nachlasses. Er kann die Vollmacht jederzeit widerrufen und dem Bevollmächtigten aufgrund des der Vollmacht in aller Regel zugrunde liegenden Auftrags nach § 665 BGB bestimmte Weisungen erteilen. Zudem hat der Bevollmächtigte von sich aus zu beachten, dass er nach dem Erbfall zur Vertrauensperson des Erben geworden ist und als solche nach Treu und Glauben nicht ermächtigt ist, Handlungen vorzunehmen, die den schutzwürdigen Interessen des Erben zuwiderlaufen oder bei deren Kenntnis diesen vermutlich zum vorzeitigen Widerruf der Vollmacht veranlasst hätte."
Rz. 31
Ab wann der Bevollmächtigte verpflichtet ist, die Erben über seine Vollmacht oder die beabsichtigten Rechtsgeschäfte zu informieren, ist nicht abschließend geklärt. Feststehen dürfte aber, dass er konkrete Weisungen zu Ende auszuführen hat, bis zum Widerruf durch die Erben. Außerdem muss er unaufschiebbare Angelegenheiten regeln (Notbesorgung nach § 672 S. 2 BGB). Im Übrigen kommt es auf die Auslegung der Vereinbarung im Innenverhältnis im Einzelfall an.
Dabei ist zu beachten, dass auch Schenkungen dem Vollmachtnehmer grundsätzlich erlaubt sind. Sie sind nach der Rechtsprechung aber dann rechtsmissbräuchlich, wenn sie erkennbar und eindeutig das Vermögen des Vollmachtgebers schädigen. Die sog. Anstandsschenkungen sollen aber keinen Missbrauch der Vollmacht darstellen, wenn sie sich im Rahmen des im sozialen Umfeld des Vollmachtgebers Üblichen bewegen oder einer sittlichen Pflicht folgen (Sozialadäquanz) oder wenn dadurch das Vermögen des Vollmachtgebers vor dem Zugriff Dritter geschützt wird.