Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 11
Kontrovers diskutiert wurde aufgrund einer Entscheidung des OLG Hamm aus dem Jahre 2013, ob eine transmortale Vollmacht auch dann fortbesteht, wenn der Bevollmächtigte zugleich Alleinerbe ist. Das OLG Hamm verneinte die Frage: Die Vollmacht erlösche im Zeitpunkt des Todes durch Konfusion; denn der Erbe könne sich nicht selbst vertreten, da die Vollmacht eine Personenverschiedenheit von Vertreter und vertretener Person voraussetze. Das OLG Hamm versagte es dem Alleinerben in dem zu entscheidenden Fall, ein Nachlassgrundstück mittels seiner transmortalen Vollmacht auf einen Dritten zu übertragen.
Rz. 12
Die Entscheidung des OLG Hamm ist zu Recht überwiegend kritisch besprochen worden und auch die obergerichtliche Rechtsprechung ist dem nicht gefolgt:
So hat das OLG Schleswig 2014 klargestellt, dass eine trans- oder postmortale Vollmacht jedenfalls dann nicht mit dem Tod durch Konfusion erlischt, wenn der Bevollmächtigte nicht Allein-, sondern Miterbe ist. In diesem Fall handelt der Bevollmächtigte nicht für sich selbst, sondern für die Miterben in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Die Gefahr, dass der Bevollmächtigte die Vollmacht nur für eine verkappte Grundbuchberichtigung nutzt, besteht nicht, weil die Übertragung auf alle Miterben als Bruchteilseigentümer nur durch rechtsgeschäftliche Übertragung erfolgen kann. Im Fall vor dem OLG Schleswig gelang die Übertragung des Nachlassgrundstückes auf Dritte aufgrund der transmortalen Vollmacht.
Rz. 13
Bei genauerer Betrachtung würde sich die Konfusionsfrage jedoch auch bei Miterben stellen – beschränkt auf den bevollmächtigten Miterben. Dass infolgedessen allerdings von einem teilweisen Erlöschen der Vollmacht auszugehen sei, wird nur vereinzelt vertreten. Hierfür gibt es auch keine materiell-rechtliche Notwendigkeit: Der Bevollmächtigte handelt entweder als Erbe und muss sich folgerichtig dann als solcher legitimieren, oder er handelt als Bevollmächtigter. Letzterenfalls genügt zu seiner Legitimation die Vorlage einer Vollmacht, die den Anforderungen des § 29 GBO genügt. Das Grundbuchamt wird ihm nicht vorschreiben können, als was er aufzutreten hat; der Antragsteller hat die Wahl, als Erbe Grundbuchberichtigung zu verlangen und somit die Gebührenfreiheit nach KV 14110 Abs. 1 GNotKG zu erhalten, was er aber mit den Kosten des Erbscheins bezahlen muss, oder das Grundstück als Bevollmächtigter an sich aufzulassen mit den dadurch entstehenden Kosten. Die Tatsache, dass er Erbe und Bevollmächtigter in Personalunion ist, führt jedenfalls nicht zu einem Vorrang der einen oder anderen Stellung. Dafür gibt es auch keine Notwendigkeit; denn das Grundbuch wird in keinem Falle unrichtig, weshalb es dem Verlangen nach einem Erbschein an Erheblichkeit mangelt. Außerdem erlöschen schuldrechtliche Beziehungen zwischen Erblasser und Erben nicht stets oder gar zwingend; der mit überschießender Rechtsmacht ausgestattete Alleinerbe büßt die Legitimationswirkung seiner Generalvollmacht nicht ein.
Rz. 14
Das OLG München eröffnet mit seiner Entscheidung vom 4.8.2016 schließlich auch den Weg zu einer bis dato skeptisch beäugten "verkappten Grundbuchberichtigung". Es führt aus: "Nichts zwingt einen mit transmortaler Vollmacht Ausgewiesenen (…) nach dem Erbfall dazu, statt einer Auflassung an sich nur den verfahrensrechtlichen Weg der Berichtigung zu wählen". Die Erkenntnis, dass der "Erwerber" Alleinerbe sein könnte, ergab sich in diesem Fall aus der Tatsache, dass das Grundbuchamt die Nachlassakte beigezogen hatte, in der sich ein entsprechendes privatschriftliches Testament befand. Es komme gleichwohl auch einer gegebenenfalls durch Konfusion erloschenen Vollmacht eine "Legitimationswirkung" zu. Vom Bevollmächtigten einen Nachweis darüber zu verlangen, dass er nicht Alleinerbe geworden sei, wäre "überzogen".
Rz. 15
Eine rechtsgeschäftliche Übertragung durch den Bevollmächtigten ist auch nach dem OLG München aufgrund dessen Folgeentscheidung vom 31.8.2016 aber nur dann möglich, wenn der Bevollmächtigte nicht zugleich als Alleinerbe auftritt; sonst trete in Bezug auf die Vollmacht ein "Rechtsscheinverlust" ein. Der Praxis sei also (auch weiterhin) geraten, die Erbenstellung nicht gegenüber dem Grundbuchamt offen zu legen, sondern klar (allein) aufgrund der Stellung als Bevollmächtigter zu handeln, wenn es darum geht, ohne Erbschein und allein mit der Vollmacht auszukommen, will man nicht riskieren, die mit der transmortalen Vollmacht intendierte Handlungsfähigkeit "des Nachlasses" in der Zeit zwischen Erbfall und Erbscheinserteilung zu riskieren.
Rz. 16
Auch das OLG Celle hat inzwischen klargestellt, dass das Zusammenfallen von Bevollmächtigung und Miterbenstellung nicht das Erlöschen der Vollmacht aufgrund der von § 164 BGB an sich vorausgesetzten Personenverschiedenheit zwischen Vertreter und Vertretenem bedingt. Zumindest bei Miterben könne von einer Konfusion oder Teilkonfusion nicht die Rede sein, und ...