Dr. Daniel Faulenbach, Peter Friedhofen
Rz. 79
Hier ist äußerste Vorsicht geboten: Gem. § 2 Abs. 3 ArbGG können vor die Arbeitsgerichte auch nicht unter die Absätze eins und zwei fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen eins und zwei bezeichneten Art in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für seine Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist.
Rz. 80
Ergibt sich die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte im sog. Sic-non-Fall aus der Verfolgung eines nur vor dem Arbeitsgericht realisierbaren Klagebegehrens, wie es bei der Erhebung der Kündigungsschutzklage oder bei der Statusklage der Fall ist, so ist in der Vergangenheit vielfach die Auffassung vertreten worden, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch für weitere Ansprüche durch die Zusammenhangszuständigkeit nach § 2 Abs. 3 ArbGG begründet werden kann. Dieser in der Tat fehlerhaften Rechtsauffassung ist das BAG in seiner Entscheidung vom 11.6.2003 nicht gefolgt. In diesem Fall stritten die Parteien über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (Statusklage; Feststellungsantrag zu 1) und in diesem Zusammenhang über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung (Feststellungsantrag zu 2). Daneben begehrte der Kläger Zahlung von Vergütung, Schadensersatz und Aufwendungsersatz (Leistungsanträge zu 3–5). Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der "Vertrag über freie Mitarbeit als Fernseh-Producer" sei u.a. aufgrund seiner Weisungsgebundenheit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung liege nicht vor. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und für die Anträge zu 3–5 die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen gerügt. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten hinsichtlich dieser Anträge für zulässig erklärt. Das LAG hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Rz. 81
Das BAG hielt die zulässige Rechtsbeschwerde für begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Verweisung des Rechtsstreits hinsichtlich der abgetrennten Anträge zu 3–5 an das zuständige Landgericht. Das BAG hat ausgeführt, dass sich die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen entgegen der Auffassung des LAG nicht aus § 2 Abs. 3 ArbGG ergibt. Für die Anträge des Klägers zu 1 und 2 (Statusklage und Feststellungsklage bezüglich der fristlosen Kündigung) hat es die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG angenommen. Denn der Kläger begehrt mit den Anträgen zu 1 und 2 die Feststellung, dass bis zum 31.12.2001 ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand und das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten beendet wurde. Hierbei handelt es sich um sog. Sic-non-Fälle. In diesen Fällen hängt der Erfolg der Klage nach der Antragstellung auch von Tatsachen ab, die zugleich für die Bestimmung des Rechtswegs entscheidend sind. Die beantragten Feststellungen setzen voraus, dass in Zeiten der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien tatsächlich bestanden hat. Andernfalls sind die Anträge schon deshalb unbegründet.
Rz. 82
Das BAG hat weiter ausgeführt: Für die angekündigten Anträge zu 3–5 besteht keine Zusammenhangszuständigkeit nach § 2 Abs. 3 ArbGG. Ein Sic-non-Antrag kann für Zusammenhangsklagen nicht die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen begründen. § 2 Abs. 3 ArbGG findet keine Anwendung, wenn die Zuständigkeit für die Zusammenhangsklage allein aus der Verbindung mit einem Sic-non-Antrag folgen kann. Das BVerfG hat zu Recht auf die Gefahr einer Manipulation bei der Auswahl des zuständigen Gerichts durch die klagende Partei hingewiesen, wenn diese im Wege der Zusammenhangsklage mit einem Sic-non-Fall weitere Streitgegenstände verbindet. So könnten im Zusammenhang mit einer Statusklage, die nur erhoben wird, um den Rechtsstreit vor die Arbeitsgerichte zu bringen, Streitgegenstände vor die Gerichte für Arbeitssachen gelangen, für die andere Gerichte sachlich zuständig sind. Das wäre mit Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG nicht vereinbar, wonach der erkennende Richter normativ bestimmt sein muss. Der für den Einzelfall zuständige Richter hat aufgrund allgemeiner Kriterien festzustehen, um der Gefahr manipulierender Einflüsse – gleich von welcher Seite – vorzubeugen. Eine mit Art. 101 GG nicht zu vereinbarende Rechtswegerschleichung kann nicht dadurch wirksam verhindert werden, dass dem Kläger die Berufung auf die Zusammenhangszuständigkeit in Missbrauchsfällen nach Treu und Glauben versagt wird. Hierfür fehlt es an handhabbaren und hinreichend klaren Kriterien.
Rz. 83
Werden zusätzlich zu einem Feststellungsantrag, der einen Sic-non-Fall darstellt, weitere Leistungsanträge gestellt, muss für diese die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für ...