Rz. 27
In den meisten Fällen hat der Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag bestimmt, welche dritte Person die Begünstigte, also zum Empfang der Versicherungsleistung berechtigt ist. Der Begünstigte erwirbt einen unmittelbaren Leistungsanspruch gegen den Versicherer. Die Versicherungssumme fällt nicht in den Nachlass und bleibt somit dem Zugriff der Erben oder eines Nachlassgläubigers entzogen.
In vielen Versicherungsverträgen sind Versicherungsnehmer und versicherte Person ("Gefahrsperson") nicht identisch.
Gerade bei der Finanzierung von Immobilien kommt es häufig vor, dass ein Versicherungsnehmer eines seiner Kinder als Risikoperson in den Vertrag aufnimmt, da der Tod einer jüngeren Person unwahrscheinlicher ist, so dass auch die Versicherungsprämien entsprechend niedriger sind. In derartigen Fällen hat der Tod des Versicherungsnehmers keinen Einfluss auf den Fortbestand des Versicherungsvertrages.
a) Unwiderrufliche Bezugsberechtigung
Rz. 28
Wenn im Versicherungsvertrag bestimmt ist, dass der Dritte unwiderruflich bezugsberechtigt ist, können weder der Versicherungsnehmer noch die Erben diese Bezugsberechtigung ohne Zustimmung des unwiderruflich Berechtigten ändern. Die Auszahlung der Versicherungssumme an den unwiderruflich Bezugsberechtigten kann daher nicht verhindert werden, sie fällt auch nicht in den Nachlass und ist auch bei der Wertbemessung des Nachlasses nicht zu berücksichtigen.
b) Widerrufliche Bezugsberechtigung
Rz. 29
Ganz anders liegt der Fall bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung. Ebenso wie ein Testamentserbe hat der Berechtigte nur eine unsichere Position, die jederzeit vom Versicherungsnehmer und möglicherweise auch später von seinen Erben noch geändert werden kann.
Die Einräumung eines widerruflichen Bezugsrechtes ist eine Schenkung auf den Todesfall.
Rz. 30
Dieses Schenkungsversprechen gemäß § 518 Abs. 1 BGB wird in Ermangelung einer notariellen Beurkundung erst durch den Vollzug der Schenkung wirksam (§ 518 Abs. 2 BGB). Es kann daher zu einem "Wettlauf" zwischen den Bezugsberechtigten und der Erbengemeinschaft kommen: Ebenso wie der Erblasser kann die Erbengemeinschaft die Bezugsberechtigung des widerruflich Begünstigten widerrufen, bevor der Versicherer seine Leistung erbracht hat.
Hinweis
Befindet sich im Nachlass eine Lebensversicherung mit einer widerruflichen Bezugsberechtigung, sollten die Erben in jedem Fall diese Bezugsberechtigung widerrufen.
Diese Widerrufserklärung geht allerdings ins Leere, wenn der Versicherer bereits seine Leistung erbracht hat.
Rz. 31
Die Einsetzung eines Begünstigten beinhaltet regelmäßig den konkludenten Auftrag an den Versicherer, dem Dritten nach Eintritt des Versicherungsfalles das Zuwendungsangebot des Versicherungsnehmers zu überbringen.
Rz. 32
Auch bei der Einsetzung einer Begünstigung ist zu unterscheiden zwischen dem Deckungsverhältnis (Begünstigung) und dem Valutaverhältnis, also dem Rechtsgrund, aufgrund dessen die Begünstigung erfolgt ist. Nur das Valutaverhältnis entscheidet darüber, ob der Bezugsberechtigte die Versicherungsleistung behalten darf. § 2301 BGB findet keine Anwendung.
Wenn daher der Rechtsgrund für die Einräumung der Bezugsberechtigung weggefallen ist, können die Erben die Versicherungsleistung auch vom Bezugsberechtigten zurückverlangen.
c) Mehrere Bezugsberechtigte
Rz. 33
Wenn der Versicherungsnehmer mehrere Bezugsberechtigte benannt hat und einer der Bezugsberechtigten vor oder gleichzeitig mit dem Versicherungsnehmer stirbt, so fällt der Anteil des verstorbenen Bezugsberechtigten den anderen Bezugsberechtigten zu. Dieser Anteil fällt also nicht in den Nachlass. § 160 Abs. 1 VVG enthält daher eine gesetzliche Auslegungsregel:
Zitat
"Sind mehrere Personen ohne Bestimmung ihrer Anteile als Bezugsberechtigte bezeichnet, sind sie zu gleichen Teilen bezugsberechtigt. Der von einem Bezugsberechtigten nicht erworbene Anteil wächst den übrigen Bezugsberechtigten zu."
Wenn ein Bezugsberechtigter zugleich mit dem Erblasser verstirbt, so wächst dessen Anteil den anderen Bezugsberechtigten an.
d) Unbestimmte Bezugsberechtigte
Rz. 34
Wenn der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrages als Bezugsberechtigte "die Ehefrau" genannt hat, bleibt diese zunächst Bezugsberechtigte, selbst wenn die Ehe später geschieden wurde. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Versicherungsnehmer nach der Scheidung wieder geheiratet hat. § 2077 BGB findet auch keine analoge Anwendung.
Damit ist jedoch noch nicht entschieden, ob der Ehegatte im Verhältnis zu den Erben die Versicherungsleistung behalten darf. Auch hier entscheidet das Valutaverhältnis. Wenn der Erblasser mit der Zuwendung des Bezugsrechts seine Ehefrau gerade für den Fall des Scheiterns der Ehe sichern wollte, ...